Nutzung des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM) bei Typ-2-Diabetes?
Die eigenständige Kontrolle des Glukosespiegels ist eine wesentliche Säule der Diabetestherapie. Besonders essentiell ist dies bei Menschen mit Diabetes, die eine Insulintherapie durchführen. Zwecks Therapiekontrolle ist sie aber auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes relevant, deren Therapie mit nicht-insulinotropen, oralen Antidiabetika oder Inkretinmimetika durchgeführt wird.Dies kann einerseits mit punktueller Blutglukosemessung (SMBG), andererseits sehr effektiv in Echtzeit mit Hilfe des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM) erfolgen (siehe Kapitel „Selbstkontrolle“).
Aufgrund der teilweise kontroversen Diskussion zum Einsatz von CGM bei Typ-2-Diabetes ohne Insulinbehandlung werden nachfolgend auch einige klinische Studien mit aufgeführt.
Generell weist die Nutzung von Real-Time CGM-Systemen (auch bezeichnet als rtCGM) eine Reihe von Vorteilen auf, auch im Vergleich zur punktuellen Blutzuckermessung [1]. So kommt es zur Verbesserung der glykämischen Kontrolle:
- durch Senkung des HbA1c Wertes (und/oder des Glukose Management Indikators GMI, errechnet aus dem Mittelwert über alle vom CGM gemessenen Glukosewerte) ohne Anstieg von Frequenz und Intensität der Hypoglykämien,
- durch Erhöhung des Anteils der Zeit im normoglykämischen Glukosebereich (Time in Range von 70-180 mg/dl = 3,9- 10,0 mmol/l).
- Vermeidung von Akutkomplikationen (insbesondere von schweren Hypoglykämien und diabetischen Ketoazidosen) die Reduzierung des Schweregrades und der Dauer von hypo- und hyperglykämischen Ereignissen, was sich in einer Reduzierung des Anteils der „Time below Range“ (<70 mg/dl = 3,9 mmol/l) und der „Time above Range“ (>180 mg/dl = 10,0 mmol/l) zeigt
- Reduzierung der Angst vor akuten Ereignissen (insbesondere schwerer Hypoglykämien)
- Reduzierung der glykämischen Variabilität
- Reduzierung diabetesbedingter Belastungen und Erhöhung der Lebensqualität durch erfolgreicheres Therapiemanagement
- Reduzierung der Angst vor diabetischen Folgeerkrankungen
Kostenübernahme von CGM nur bei Insulinbehandlung
Die aufgeführten Vorteile sind zunächst relevant für Patienten, die eine Insulintherapie durchführen. Das betrifft neben Menschen mit Typ-1-Diabetes auch Menschen mit intensiviert behandeltem Typ-2-Diabetes.In Deutschland hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) deshalb der Kostenerstattung von CGM durch die Krankenkassen auch für intensiviert behandelte Menschen mit Typ-2-Diabetes zugestimmt [2].
Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass auch Menschen mit Typ-2-Diabetes vom CGM profitieren, wenn sie eine BOT (Basal unterstützte orale Therapie) durchführen oder gar nicht mit Insulin behandelt werden. Die Vorteile für nicht mit Insulin behandelte Menschen mit Typ 2 Diabetes liegen dann beim „Biofeedback“, also der Sicht auf die Auswirkungen von Nahrung und Bewegung auf den Glukosespiegel, was zur Verhaltensmodifikation und -adaption führen kann. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei die engmaschige Zusammenarbeit mit dem Diabetesteam.
Vorteile der kontinuierlichen Messung (CGM) bei Typ-2-Diabetes
Folglich entscheidet beim Einsatz der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) bei Menschen mit Typ-2-Diabetes insbesondere die angewendete Therapieform über den Effekt dieser Messtechnik:- Typ-2-Diabetes mit intensivierter Insulintherapie (ICT), CGM unterstützt dabei besonders das Therapiemanagement und kann Hypoglykämien erkennen und verhindern, u.a. auch durch prädiktive Warnungen
- Typ-2-Diabetes mit BOT bzw. konventioneller Insulintherapie (CT), CGM dient u.a. der Titrierung des Insulins und kann Hypoglykämien erkennen und verhindern
- Typ-2-Diabetes mit nicht-insulinärer Therapie (orale Antidiabetika, GLP-1- und duale GLP-1/GIP-Agonisten), CGM zeigt die Auswirkung der Medikamente auf den Glukosestoffwechsel
- Typ-2-Diabetes ohne Medikation, CGM zeigt Auswirkungen von Ernährung, Bewegung und Alltagsverrichtungen auf den Glukosespiegel („Biofeedback“)
Ist CGM für alle Menschen mit Typ-2-Diabetes empfohlen?
Während die Beweislage (Evidenz) bei der Anwendung der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) unter der ICT überzeugend ist, gibt es in den anderen Fällen nach wie vor kontroverse Diskussionen, bedingt auch durch die dabei anfallenden Kosten. Dabei gibt auch schon internationale Empfehlungen, z. B. von der American Association of Clinical Endocrinology (AACE), welche den Einsatz von CGM unter definierten Umständen auch auf Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulinbehandlung erweitert sehen [3].Beispielgebend für die langfristige Verbesserungen der glykämischen Kontrolle durch die Anwendung von CGM bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulin sind Real-World-Daten von insgesamt 3.840 Patienten [4]. Solche Daten belegen, wie ein System oder eine Therapie unter Alltagsbedingungen funktioniert, d. h. sie sind praxisrelevant. Die Analyse zeigte, dass sich nach 6 Monaten CGM-Anwendung der Anteil der Zeit im Glukosezielbereich (Time in Range) um 15,1% auf 56,8% erhöhte. Der Anteil der Werte im niedrigen Glukosebereich (54-<70 mg/dl) blieb dabei nahezu auf dem gleichen geringen Niveau (Baseline 0,1%; 6 Monate 0,2%). Vergleichbare Daten wurden auch nach 12 Monaten CGM-Anwendung gefunden.
Obwohl nicht-insulinierte Patienten trotz zeitnah angezeigter Glukosewerte keine medikamentöse Anpassung vornehmen können, unterstützt das „Biofeedback“ die Lebensstilintervention der Patienten.
Grundsätzlich lässt sich aus verschiedenen Studien (randomisiert, aber auch prospektiv/retrospektiv) ableiten, dass alle Gruppen von Menschen mit Typ-2-Diabetes von der CGM-Anwendung profitieren [5,6,7]. Dies belegt auch eine Metaanalyse aus Datenbanken wie Embase, MEDLINE u.a. (Daten bis Mai 2023) [8]. Die Verbesserungen unter CGM versus der Blutzuckerselbstkontolle sind bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulin vergleichbar mit denen mit Insulin (Abb. T2D 1).

Abb. T2D 1: Vergleich der Anwendung von CGM vs. SMBG bei Personen mit Typ-2-Diabetes (zusammenfassende Ergebnisse aller Studien). Beim HbA1c (oben) erfolgte die Stratifizierung nach der Art der glukosesenkenden Therapie (Insulinanwender, keine Insulinanwender oder Mischpopulation aus Insulinanwendern und Nicht-Insulinanwendern). Bei der „Time in Range“ (unten) wurden die verschiedenen Therapieformen zusammengefasst [8 adaptiert von Jancev M et.al.]
Welche Vorteile hat die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) bei Typ-2-Diabetes?
Ein entscheidender Vorteil der Anwendung von CGM besteht in den positiven Erfahrungen der Menschen mit Typ-2-Diabetes mit CGM. Das betrifft sowohl die glykämische Einstellung als auch Verhaltensweisen. In einer diesbezüglichen Befragung von CGM-Anwendern im Alter von ca. 60 Jahren kristallisierten sich folgende Wahrnehmungen heraus:(1) CGM machte das bisher Unsichtbare, nicht Wahrgenommene sichtbar, was zu einem neu entdeckten Bewusstsein für die Behandlung und dem Umgang des Diabetes im täglichen Leben führt.
(2) CGM bewirkt eine effektive Entscheidungsfindung, wobei die Nutzung von Echtzeit-Glukosedaten für sofortige und langfristige Entscheidungen relevant ist.
(3) CGM führt zu einer gesteigerten Selbstwirksamkeit, die ein neues Gefühl der Kontrolle des Diabetes und der Motivation hervorruft.
(4) CGM führt zu Änderungen in der Ernährung, abgestimmt auf den Diabetes.
(5) CGM führt zu Änderungen bei der körperlichen Aktivität, besonders zur Intensivierung.
(6) CGM führt zu Änderungen bei der Medikamenteneinnahme.
Bezüglich der Stoffwechseleinstellung verbesserte sich in der befragten Kohorte der HbA1c-Wert nach 3 Monaten CGM-Anwendung um 1,9% von 9,1% auf 7,2 %.
Solche Ergebnisse belegen, dass CGM auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulinbehandlung ein wirksames Instrument sein kann, um eine Lebensstilintervention zu bewirken. Gerade in dieser Patientengruppe ist dies wichtig, lässt sich doch damit die Therapie optimieren und die Lebensperspektive verbessern. Das gesteigerte Interesse an der Nutzung der Technologie fördert nicht nur Verhaltensänderungen, sondern generell das Engagement der Anwender beim Diabetes-Selbstmanagement. Weiterhin ist dies ein wichtiges Signal für die Kostenträger, weil es zeigt, dass sich der finanzielle Einsatz von CGM langfristig lohnen kann.
Grundsätzlich ist es aber notwendig, die Nutzung von CGM bei Patienten ohne Insulintherapie durch eine gute Betreuung seitens des Diabetesteams zu unterstützen. Anders als bei Menschen mit intensivierter Insulintherapie (ICT) wird nämlich der Einfluss von CGM auf die Therapieunterstützung nicht unmittelbar so deutlich erlebbar (beispielweise bei der vorbeugenden Warnung vor einer Hyperglykämie), sondern bedarf mitunter einer Erklärung. Digitale Gesundheitsanwendungen können dabei unterstützen, das Diabetesteam jedoch nicht ersetzen.
Literatur:
[1] Thomas A, Haak T, Tombek A et.al. How to Use Continuous Glucose Monitoring Efficiently in Diabetes Management: Opinions and Recommendations by German Experts on the Status and Open Questions. J Diabetes Sci Technol. 2024 Aug 11:19322968241267768. doi: 10.1177/19322968241267768. Epub ahead of print.
[2] Bundesministerium für Gesundheit: Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus vom 16. Juni 2016. Bundesanzeiger, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vom 6. September 2016. https://www.g-ba.de/downloads/39-261-2623/2016-06-16_MVV-RL_rtCGM_BAnz.pdf?msclkid=ddce3b8ad03111ec9258e12d62f0496e. Letzter Zugriff: 12.06.2025.
[3] Grunberger G, Sherr J, Allende M, et al. American Association of Clinical Endocrinology Clinical Practice Guideline: The Use of Advanced Technology in the Management of Persons With Diabetes Mellitus. Endocr Pract. 2021;27(6):505-37. Epub 2021/06/13. doi: 10.1016/j.eprac.2021.04.008. PubMed PMID: 34116789.
[4] Layne JE, Jepson LH, Carite AM, Parkin CG, Bergenstal RM. Long-Term Improvements in Glycemic Control with Dexcom CGM Use in Adults with Noninsulin-Treated Type 2 Diabetes. Diabetes Technol Ther. 2024 Jun 21. doi: 10.1089/dia.2024.0197. Epub ahead of print. PMID: 38904213.
[5] Ehrhardt N, Al Zaghal E. Continuous Glucose Monitoring As a Behavior Modification Tool. Clin Diabetes 2020; 38(2): 126-131. DOI: 10.2337/cd19-0037
[6] Martens T, Beck RW, Bailey R, et.al.; MOBILE Study Group. Effect of Continuous Glucose Monitoring on Glycemic Control in Patients With Type 2 Diabetes Treated With Basal Insulin: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2021;325(22):2262-2272.
[7] Aleppo G, Hirsch IB, Parkin CG, et.al. Coverage for Continuous Glucose Monitoring for Individuals with Type 2 Diabetes Treated with Nonintensive Therapies: An Evidence-Based Approach to Policymaking. Diabetes Technol Ther. 2023;25(10):741-751.
[8] Jancev M, Vissers TACM, Visseren FLJ, van Bon AC, Serné EH, DeVries JH, de Valk HW, van Sloten TT. Continuous glucose monitoring in adults with type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Diabetologia 2024;67(5):798-810.
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