Insulinarten und Insulinwirkung

Insuline unterscheiden sich wesentlich in den Wirkprofilen. Kurz wirkende Insuline, die zu den Mahlzeiten oder zur Korrektur eingesetzt werden, fluten schnell im Blut an und schnell wieder ab. Ein ganz anderes Profil haben dagegen Verzögerungs-/Basalinsuline, die teilweise länger als 24 Stunden wirken. Das Wirkprofil Ihres Insulins sollten Sie kennen, um Überlappungen einschätzen bzw. vermeiden zu können. Dies ist ein wichtiges Thema in der Diabetesschulung.

Erläuterungen zur Wirkdauer der Insuline

Insuline werden s.c. (subkutan) gespritzt, das heißt ins Unterhautfettgewebe. Die Wirkdauer eines Insulins ist von seiner Dosis abhängig: Je höher die Dosierung, umso länger die Wirkdauer. Ein Normalinsulin kann bei hoher Dosierung viel länger als 4 Stunden wirken. Dasselbe gilt auch für Verzögerungsinsuline.

Die im Internet und diversen Tabellen zu findenden Angaben sind nur Hinweise zu den Zeitbereichen, sie stellen keine exakten Zeiten dar. Die Initialwirkung des Insulins, das Eintreten des Wirkungsmaximums und die Wirkdauer sind dosisabhängig. Insbesondere kann die Wirkdauer der Insuline bei sehr hoher Dosierung sehr stark verlängert sein.

Die Herstellerangaben in den Gebrauchsinformation/Fachinformation beziehen sich auf „normale“ Insulindosierungen. Weiterhin ist zu beachten, dass in der Praxis eine Reihe von Unwägbarkeiten auftreten, die den Unterschied zu den in einem pharmakologischen Standardversuch ermittelten Werten begründen. Dies betrifft u.a. die Resorption des Insulins im Unterhautfettgewebe, welche z.B. von den Hautarealen (Bauch, Arm, Bein) und der Hauttemperatur abhängt. Auch spielt die Insulinresistenz des Menschen mit Diabetes eine Rolle, die bei/nach körperlicher Aktivität geringer ist. Dagegen ist sie z.B. bei Erkrankungen oder Erkältungen erhöht. Auch die Einnahme von Medikamenten wirkt sich aus. Es ist deshalb notwendig, die pharmakologischen Angaben zu den Insulinen nur als einen Wertebereich anzusehen.

Schließlich zeigen die nach einer Injektion/Infusion in den Unterlagen angegebenen Insulinspiegel nur die Pharmakokinetik des Präparates. Entscheidend ist die Wirkung des Insulins im individuellen Organismus des Betroffenen. Dabei ist zu beachten, dass das Insulin nur einer der Faktoren ist, die den Glukosespiegel beeinflussen. Es treten vielfältige Faktoren auf, von denen auf der Website „Making Sense of Diabetes“ der DiaTribe-Foundation allein 42 aufgeführt sind (Abb. T1D 1 [1]).


Abb. T1D 1: Einflussfaktoren auf den Glukosespiegel (nach [1])

Welche Insuline stehen zur Behandlung zur Verfügung?

Schnelle Insulinanaloga

Wie aus der Zusammenstellung unter der Überschrift „Geschichte des Insulins“ hervorgeht, wurden seit 1996 zahlreiche Insulinanaloga für die Insulintherapie auf den Markt gebracht. Bei den kurzwirksamen Analoginsulinen bestand die Motivation insbesondere darin, den Wirkungseintritt zu beschleunigen und die Wirkungsdauer zu begrenzen. Dadurch konnte einerseits der Spritz-Ess-Abstand verringert werden, was insulinbehandelte Menschen mit Diabetes in die Lage versetzt, die Insulindosierung zeitnah mit dem Beginn der Mahlzeit vorzunehmen. Insbesondere bei Mahlzeiten in einem Restaurant ist das von Vorteil, erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, das Mahl richtig einschätzen zu können. Andererseits verringert die kürzere Wirkdauer das Risiko von Insulinüberlappungen bei einem Insulinbolus, der ca. 2-3 Stunden nach einer vorher erfolgten Insulindosierung auftreten kann („Insulin on Board“).

Das Prinzip der schnellen Insulinanaloga

Das Prinzip der Herstellung kurzwirksamer Analoginsuline bestand dabei vordringlich in der Veränderung der Molekülstruktur:

In einer Lösung sind die Insulinmoleküle aneinandergelagert und bilden, wenn es sich um sechs Insulinmoleküle handelt sogenannte Hexamere, bei zwei Molekülen Dimere. Die Bindung der Hexamere erfolgt durch Zink-Ionen, was diese stabilisiert. Man kann durch Austausch einzelner Aminosäuren im Normalinsulin erreichen, dass diese Hexamere nach dem Spritzen im subkutanen Fettgewebe schneller zerfallen. Beim Insulin Glulisin wurde die Aminosäure Asparagin (an Stelle B3) gegen Lysin und Lysin (an Stelle B 29) gegen Glutaminsäure ausgetauscht. Beim Insulin Aspart konnte eine schnellere Monomer-Bildung durch Austausch der Aminosäure Prolin anstelle B 28 durch Asparaginsäure erreicht werden. Das erste kurzwirksame Analoginsulin Insulin Lispro stand ab dem Jahr 1996 zur Verfügung.

Ultraschnell wirkende Insulinanaloga

Eine noch schnellere Aufnahme in den Blutkreislauf der Insulinmoleküle kann auch durch Zusätze bei der Insulin-Formulierung erreicht werden z. B.: EDTA/Zitronensäure, Magnesium, Bio-Chaperone, Niacinamid. Der Zusatz von Niacinamid (Vitamin-B 3) zu Insulin Aspart führt zu einer schnelleren Resorption (Faster aspart, Fiasp). Dieses ultraschnell wirksame Analoginsulin kam im Jahr 2017 auf den Markt.

Dagegen ist Lyumjev (Ultra rapid lispro) eine Insulin lispro-Formulierung, die Citrat und Treprostinil enthält. Citrat erhöht die lokale, vaskuläre Permeabilität. Treprostinil ist ein Prostacyclinanalog, welches eine Erweiterung der lokalen Blutgefäße bewirkt, um eine beschleunigte Absorption des Insulin lispro zu erreichen. Lyumjev ist seit dem Jahr 2020 verfügbar und bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 um 5 bis 6 min früher im Serum nachweisbar, was und führt in den ersten 15 min zu einer 7,2-mal höheren Insulinexposition führt. Mit diesen ultra-schnellen Analoginsulin lassen sich die postprandialen Blutzuckerspitzen besser einstellen und die Wirkdauer ist kürzer.

Während also bei den kurzwirksamen Analoginsulinen der Wirkungseintritt bei 10-20 min, das Wirkungsmaximum bei einer Stunde und die Wirkdauer bei 4-5 Stunden liegen, belaufen sich bei ultrakurzwirksamen Analoginsulinen der Wirkungseintritt auf 5-10 min, das Wirkungsmaximum auf 45 min und die Wirkdauer auf 3-4 Stunden. Abb. T1D 2 zeigt diese Unterschiede anhand der postprandialen Glukosekonzentration nach Einnahme einer Standardmahlzeit und der subkutanen Injektion der kurzwirksamen Analoginsuline Humalog und NovoRapid bzw. der ultra-kurzwirksamen Analoginsuline Fiasp und Lyumjev [2].

Abb. T1D 2: Vergleich der postprandialen Glukosekonzentration nach Einnahme einer Standardmahlzeit und der subkutanen Injektion der kurzwirksamen Analoginsuline (Humalog und NovoRapid) und der ultra-kurzwirksamen Analoginsuline Fiasp und Lyumjev [2]

In Deutschland erhältliche schnelle Analoginsuline sind:

  • Humalog® / Liprolog® (Insulin lispro)
  • NovoRapid® (Insulin aspart)
  • Apidra® (Insulin glulisin)
Weiterhin gibt es sogenannte Biosimilar-Insuline, also

  • Insulin lispro Sanofi
  • Insulin aspart Sanofi

  • Als ultra-kurzwirksame Analoginsuline sind in Deutschland erhältlich:

  • Fiasp® (Insulin faster aspart)
  • Lyumjev® (Insulin rapid lispro)
Die meisten kurzwirksamen und ultra-kurzwirksamen Analoginsuline haben die Konzentration U100 (100 Einheiten/Milliliter) und sind als 10 ml Flasche, Ampulle für Insulinpens und in Fertigpens verfügbar. Humalog existiert aber auch in der Konzentration U200 als Fertigpen, was besonders für Patienten interessant ist, welche eine hohe Insulindosierung benötigen.

Daneben sind NovoRapid und Fiasp auch als PumpCard mit 1,6 ml Füllungsvolumen für den Einsatz in Insulinpumpen erhältlich.

Eine Übersicht über die aktuellen Analoginsuline finden Sie hier auf diabetes-news

Wirkprofil eines schnellen Analoginsulins:

Schnelle-Analoga
Mit der Verwendung von schnellen Insulinanaloga lassen sich die Insulinspiegel besser an die natürliche Insulinsekretion anpassen.

Basal-Insuline (Verzögerungsinsuline)

Setzt man der Flüssigkeit der Insuline Zink und/oder Neutrales Protein Hagedorn (NPH-Insulin) zu wird die Wirkdauer länger. Diese Insuline sind trübe, da es sich nicht um eine Lösung sondern um eine Suspension handelt. Sie müssen daher mindestens 20-mal geschwenkt (nicht geschüttelt) werden, damit sich eine gleichmäßige Verteilung der Insulinmoleküle ergibt.

In Deutschland erhältliche NPH-Verzögerungsinsuline sind:

  • Berlinsulin H Basal® – Firma Berlin Chemie
  • Huminsulin Basal Lilly® – Firma Lilly
  • Protaphan HM Novo Nordisk® – Firma Novo Nordisk
Wirkprofil eines NPH-Verzögerungsinsulins:

NPH_Insulin

Langzeit-Analoginsuline

Durch Austausch einzelner Aminosäuren kann man auch erreichen das die einzelnen Insulinmoleküle länger im subkutan Fettgewebe aneinanderhaften und verzögert in einzelne Insulinmoleküle zerfallen, die in den Blutkreislauf aufgenommen werden. Das erste Analoginsulin mit verlängerter Wirkdauer war Insulin Glargin. Nach Ablauf des Patentes sind ähnliche Insuline, sogenannte „Biosimilars“ von anderen Firmen auf den Markt gekommen. Durch Anhängen einer Fettsäurekette(Levemir/Degludec) kann zusätzlich noch eine verlängerte Wirkdauer erreicht werden, da diese Insuline im Blut an Albumin gebunden werden und langsam vom Albumin wieder an den Rezeptor abgegeben werden.

In Deutschland erhältliche Langzeit-Analoginsuline sind:

  • Lantus® (Insulin Glargin) – Firma Sanofi
  • Toujeo® (Insulin Glargin 300 I.E/ml) – Firma Sanofi
  • Abasaglar® (Insulin-glargin-Biosimilar) – Firma Lilly
  • Semgleer® (Insulin-glargin-Biosimilar) – Firma BCI Ltd
  • Levemir® (Insulin Detemir) – Firma Novo Nordisk
  • Tresiba® (Insulin degludec) – Firma Novo Nordisk
Wirkprofil eines Langzeit-Analoginsulins:

Langzeit-Analoginsulin
Insulin Icodec Awiqli® Firma Novo Nordisk einmal wöchentlich

Durch Austausch von Aminosäuren konnte verhindert werden, dass das Insulin zu schnell abgebaut wird und stabiler ist. Das Insulin lässt sich somit in größeren Konzentrationen verabreichen und bleibt in der Blutbahn. Ein Speicherdepot in der Haut wird nicht gebildet. Im Blut ist das Insulin an Albumin gebunden. Das Insulin reagiert schwächer mit dem Insulinrezeptor. Durch diese Effekte wird eine längere Wirkdauer erreicht. Nach der ersten Injektion liegt bereits ein hoher täglicher Wirkspiegel vor, ohne eine starke Blutzuckerabsenkung. Es bildet sich ein Gleichgewichtszustand aus, der nach 3-4 Wochen erreicht ist. Mit einer Dosierung von 70 Einheiten pro Woche erreicht man ungefähr gleich große Dosierungen, die man mit einer Startdosis von Glargin erhält.

Insuline in hoher Konzentration

Da die Adipositas immer mehr zunimmt, werden immer höhere Insulindosen zur Normalisierung des Blutzuckers notwendig. Dadurch ergibt sich ein Problem mit der Menge der Flüssigkeit, die an eine Stelle gespritzt wird. Die Insuline hatten alle bis vor kurzem noch eine Konzentration von 100 I.E./ml. Normalerweise sollte nicht mehr als 40 Einheiten subkutan an eine Stelle appliziert werden. Waren höhere Dosen notwendig musste der Patient zweimal spritzen. Die Insulinhersteller haben daher Insuline mit einer höheren Konzentration entwickelt. Insulin Glargin gibt es nun mit einer Konzentration von 300 I.E./ml unter dem Namen Toujeo®. Humalog® gibt es nun auch in der Konzentration von 200 I.E./ml. In den USA sind Insuline mit 500 I.E./ml zugelassen.

Mischinsuline

NPH-Insuline und lang wirksame Insulinanaloga kommen bei der sogenannten BOT (Basal unterstützte orale Therapie) zum Einsatz. Wird mit Tabletten oder GLP-1 Rezeptoragonisten der individuell festgelegte HbA1c nicht erreicht, wird häufig im nächsten Schritt eine BOT durchgeführt.

Bei der Basis – Bolustherapie oder ICT werden Normalinsulin oder schnell wirksame Insulinanaloga zu den Mahlzeiten appliziert und zusätzlich ein Basalinsulin.

Für ausgewählte, insbesondere ältere Patienten gibt es zur Vereinfachung der Therapie Mischinsuline. Mischinsuline sind eine vorgefertigte Mischung aus einem Humaninsulin oder einem schnell wirksamen Insulinanalogon und einem Basalinsulin. Die Applikation erfolgt in der Regel vor dem Frühstück und vor dem Abendessen. Aufgrund des Basalinsulinanteils in der Mischung besteht eine Insulinwirkung auch um die Mittagszeit, sodass der Insulinbedarf einer kleineren Mahlzeit mit abgedeckt ist.

In Deutschland erhältliche Mischinsuline sind:

(die erste Zahl bezieht sich immer auf den prozentualen Anteil des Humaninsulin oder schnellen Insulinanalogons)

  • Berlinsulin® H 30/70 (30% / 70%) Firma Berlin Chemie
  • Huminsulin Profil III® (30% / 70%) Firma Lilly
  • NovoMix® 30 (30%/70%) Firma Novo Nordisk
  • Humalog Mix® 25, 50 (25%/75%), (50%/50%) Firma Lilly
  • Liprolog Mix® 25, 50 (25%/75%), (50%/50%) Firma Lilly
Wirkprofil eines Mischinsulins:

Hier finden Sie eine Übersicht aller Insulin-Präparate.