Systeme zur Automatisierten Insulinabgabe (AID-Systeme)
Hardwareseitig ergibt sich unter der Sensorunterstützten Pumpentherapie (SuP) bereits die Konfiguration eines AID-Systems (Automated Insulin Delivery). Durch Hinzunahme eines Algorithmus, welcher die Glukosewerte in die abzugebende Insulindosis umrechnet, kann dann die automatische Steuerung der Insulinabgabe erfolgen – als erstes realisiert bei der MiniMed 670G im Jahr 2016 (in Deutschland verfügbar ab 2019).AID-Systeme werden umgangssprachlich oft als „Closed loop System“ oder auch (eher fälschlicherweise) als Artificial Pancreas (künstliche Bauchspeicheldrüse) bezeichnet.
Die Hauptkomponenten eines AID-Systems sind also:
1. Das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) – misst den Glukosespiegel in Echtzeit (z. B. alle 5 Minuten) und sendet die Werte an die Insulinpumpe.
2. Die Insulinpumpe – gibt Insulin basierend auf den gemessenen Glukosewerten und den Berechnungen des Algorithmus des Systems automatisch ab.
3. Der Steuerungsalgorithmus – berechnet mithilfe der CGM-Daten die optimale Insulinabgabe und passt sie kontinuierlich an, um einen gewünschten Glukosezielwert zu erreichen. Damit folgt die Insulininfusionsrate kontinuierlich dem aktuellen Insulinbedarf.
Allerdings handelt es sich bei den aktuellen Geräten (2025) noch nicht um vollautomatische AID-Systeme.
Hybrid-Systeme zur automatisierten Insulinabgabe (H-AID)
Die 1. Generation von AID-Systemen entspricht einem Hybrid-AID (H-AID). Die basaler Insulingabe erfolgt adaptiv auf Grundlage der von dem Glukosesensor und dem Algorithmus ermittelten Daten. Der nahrungsunabhängige Insulinbedarf wird dabei weitgehend exakt durch das H-AID abgedeckt. Die nahrungsabhängigen Insulinboli zur Mahlzeit werden manuell durch den Anwender realisiert auch wenn die Berechnung teilweise unterstützt wird. Gleichfalls manuell erfolgt die Gabe von Korrekturboli im Fall erhöhter Glukosewerte.Advanced-Systeme zur automatisierten Insulinabgabe (AH-AID)
Bei der 2. Generation von AID-Systemen werden auch die Korrekturboli zwecks Korrektur erhöhter Glukosewerte automatisch abgegeben (Advanced Hybrid AID; AH-AID). Die Bolusgabe zur Mahlzeit erfolgt dagegen weiterhin manuell. Bei einigen Systemen geht der Ermittlung der Insulindosis jedoch nicht mehr eine exakte Berechnung der Kohlenhydrate voraus. So werden beispielsweise bei dem in Deutschland nicht erhältlichen System iLet nur die Mahlzeiten ausgewählt, also Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Angaben zu deren Größe gemacht (klein, mittel, groß). Natürlich muss dies im System vor Beginn der Nutzung definiert werden. Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung der 3. Generation, dem Voll-AID-System.Gegenwärtig handelt es sich bei den kommerziell verfügbaren Geräten überwiegend um AID-Systeme der 2. Generation (Abb. DT3).

Abb.DT3: Aktuelle kommerzielle H-AID- und AH-AID-Systeme. Alle dargestellten Insulinpumpen lassen sich auch für die CSII allein nutzen. Nicht abgebildet sind die Insulinpumpe Dana Diabcare RS, die sich mit dem Algorithmus Diabeloop verbinden lässt und die Insulinpumpen der Firma Roche (die AccuChek Insight ließ sich bis 2022 mit dem Diabeloop DBLG1-Algorithmus verbinden, ist aber nicht mehr erhältlich und die AccuChek Solo, eine schlauchlose Patchpumpe ohne möglichen AID-Ausbau).
Technische Konfiguration der AID-Systeme
Unterschiede bestehen auch in der technischen Konfiguration der Systeme. Ein AID-System kann bestehen aus einera) Insulinpumpe mit integriertem Algorithmus und einem speziellen CGM-Glukosesensor, der angekoppelt wird. Das ist zum Beispiel bei den AID-Systemen von Medtronic der Fall, wo alle Komponenten aus der Firma stammen.
b) Insulinpumpe mit integriertem Algorithmus und einem CGM eines fremden Herstellers. Das betrifft zum Beispiel das AID-System der Firma Tandem.
c) Insulinpumpe mit offener Schnittstelle, an dem ein beliebiges CGM angekoppelt werden kann. Die Verbindung zwischen beiden Komponenten wird auf der App eines Smartphones realisiert, in welcher auch der Algorithmus implementiert ist.
Die letztgenannte Lösung ist aus der Sicht der Patienten sicher die flexibelste. Er kann sich aus einer Art Baukasten die drei Komponenten selbst zusammenstellen. Das ist zum Beispiel das Konzept der amerikanischen Firma Tidepool, ein gemeinnütziges Unternehmen, welches offene, interoperable Systeme und Algorithmen zusammenbringen will (in Deutschland nicht erhältlich).
Verbesserung der Stoffwechseleinstellung durch AID-Systeme
Generell ermöglicht die Automatisierung der Insulinabgabe bei den AID-Systemen eine optimale Verbesserung der glykämischen Kontrolle mit einer deutlichen Reduktion von hyper- und hypoglykämischen Werten zugunsten eines hohen Anteils der Zeit im normoglykämischen Zielbereich. Angestrebt werden ≥70% der Werte im Zielbereich von 70-180 mg/dl (3,9-10,0 mmol/l und < 4% im Glukosebereich < 70 mg/dl (<3,9 mmol/l). Das wird von einer Vielzahl von Patienten erreicht, die ein Hybrid-AID bzw. AH-AID benutzen.Welche automatisierten Insulinabgabesysteme gibt es?
Kommerzielle AID-Systeme (herstellergeführte Lösungen)
Diese Systeme sind von Herstellern entwickelt und zugelassen worden und bieten eine vollständig integrierte Lösung:- MiniMed 780G (Medtronic)
– nutzt den CGM-Sensor Guardian 4 oder den Simplera Sync (beide Medtronic).
– zukünftig ist auch der FreeStyle Libre 3 von Abbott als CGM-Anbindung geplant
– Zielwerte individuell anpassbar (100, 110, 120 mg/dl)
– Advanced-Hybrid AID
– automatische Anpassung der basalen Insulinabgabe durch Mikroboli alle 5 Minuten und Realisierung eines Korrekturbolus alle 5 min im Fall erhöhter Glukosewerte (Zielwert 120 mg/dl = 6,7 mmol/l)
– manuelle Gabe des Mahlzeitenbolus - t:slim X2 mit Control-IQ (Tandem Diabetes Care)
– verwendet CGM-System Dexcom G6 oder Dexcom G7
Advanced-Hybrid AID
– automatische Anpassung der basalen Insulinzufuhr auf Grundlage der Hoch- bzw. Herunterregulierung der eingestellten Basalrate (bis zu 6 persönliche Basalratenprofile können programmiert und ausgewählt werden)
– automatische Gabe der Korrekturboli, einmal stündlich im Fall erhöhter Glukosewerte (Zielwert 180 mg/dl = 10,0 mmol/l)
– es sind drei Aktivitätsprofile einstellbar: normal, Aktivität Bewegung und Schlaf
– manuelle Gabe des Mahlzeitenbolus - Omnipod 5 (Insulet)
– erste schlauchlose Patch-Pumpe mit AID
– verwendet CGM-System Dexcom G6 oder Dexcom G7
– Hybrid-AID, automatische basale Insulindosierung, Insulinabgabe alle 5 min
– keine automatischen Korrekturboli
– die maximale Anwendungsdauer eines Pods beträgt drei Tage
– der Algorithmus SmartAdjust ist in dem Pod eingebettet
– Benutzer können ihre Zielglukose in 10 mg/dl-Intervallen von 110 bis 150 mg/dl anpassen
– spezielle Zulassung in der Schwangerschaft aufgrund vorliegender klinischer Studien - mylife Loop (Ypsomed)
– verwendet CGM-System Dexcom G6, Dexcom G7 oder FreeStyle Libre 3 von Abbott
– nutzt mylife Ypsopump als Basis zur Insulinabgabe
– nutzt den an der Universität Cambridge entwickelten Algorithmus CamAPS FX Android App
– Dosisberechnung und basale – Insulinabgabe alle 8 -12 Minuten, die berechnete Insulinmenge wird als „Extended Bolus“ über 30 Minuten abgegeben manuelle Gabe des Mahlzeitenbolus - Kaleido mit Diabeloop DBLG1
– kleinste Insulinpumpe, tragbar als Patch mit kurzem Infusionsset
– Hybrid-AID, automatische basale Insulindosierung, manuelle Gabe von Mahlzeitenbolus (Eingabe qualitativ „Mahlzeit klein, mittel, groß)
– Advanced-Hybrid AID
– verwendet CGM-System Dexcom G6 oder Dexcom G7
– verwendet den Algorithmus Diabeloop DBLG1, selbstlernend bzgl. Individualisierung und Personalisierung (Grundlage: eingegebene Daten)
– manuelle Gabe des Mahlzeitenbolus - Loop (iOS-basiert)
– Benötigt eine kompatible Insulinpumpe, Dexcom CGM und ein iPhone
– Der Algorithmus berechnet und steuert Insulinabgabe - AndroidAPS (Android-basiert)
– Open-Source-Software für Android-Geräte
– erlaubt eine flexible Anpassung und detaillierte Steuerung - OpenAPS (frühestes DIY-System)
– Wird von einigen Nutzern als selbst gebautes Closed-Loop-System genutzt. - Welchen Glukosesensor möchten sie nutzen (möglicherweise weiterhin nutzen)?
- Wie hoch ist der Tagesinsulinbedarf?
- Bevorzugt man eher eine schlauchlose Patchpumpe?
- Soll die Insulinpumpe möglichst klein sein?
- Wie wird das Design der Pumpe empfunden?
- Ist die Anbindung an mein Smartphone möglich?
Do-it-yourself (DIY)-Systeme zur Automatisierten Insulinabgabe
Einige technisch versierte Nutzer nutzen Open-Source-Software, um ihre eigene Closed-Loop-Lösung zu erstellen. Eine ihrer Beweggründe war, dass ihnen die Entwicklung von kommerziellen automatisierten Insulinabgabesystemen zu langsam ging, standen doch seit ca. 2014 CGM-Systeme zur Verfügung, die eine hinreichend gute Messgenauigkeit boten, um ggf. in einem Closed-Loop-System benutzt zu werden.Auf Grundlage fundierter Kenntnisse über ihre eigene Stoffwechselregulation entwickelten sie in der „Looper-Community“ Algorithmen für die Insulindosierung, “hackten” Insulinpumpen, um die Schnittstellen offen zu legen, wählten ein CGM-System und verbanden alles zu einem System. Da es sich praktisch um Selbstversuche handelte, war gegen die nicht sachgemäße Nutzung von CGM und Insulinpumpen nichts einzuwenden. Ihre Algorithmen stellten sie der Community per Internet zur Verfügung und veröffentlichten ihre Ergebnisse.
Nach wie vor sind diese Lösungen offiziell nicht zugelassen, werden aber von einer aktiven Community unterstützt. Allerdings gerieten sie in den Hintergrund, nachdem kommerzielle AID-Systeme auf dem Markt verfügbar und zunehmend breiter angewendet wurden. Die Verbreitung dieser DIY-Systeme ist deshalb überschaubar. Was der Community bestätigt werden kann ist, dass sie einerseits über profunde Kenntnisse zu ihrem eigenen Glukosestoffwechsel verfügen, den sie mithilfe der selbst entwickelten Algorithmen regulieren und dass sie andererseits die Aufmerksamkeit der gesamten Diabetesszene damit hervorgerufen haben.
Nicht zuletzt hat das auch die Bemühungen der Hersteller von AID-Systemen motiviert, die vielen Hürden, vor allem auch der Zulassung solcher Systeme zu überwinden (solche Hürden hat ein DIY-System natürlich nicht).
Folgende, nicht zugelassene Systeme sind in geringem Umfang in der Anwendung:
Zukunft der Systeme zur Automatisierten Insulinabgabe (AID)
Mit dem Übergang zu automatisierten Insulinpumpen, also den AID-Systemen wird die Insulininfusion noch physiologischer und unterstützt das Streben nach bestmöglicher Glukoseeinstellung und Lebensqualität, trotz insulinabhängigem Diabetes. Auch wenn es sich gegenwärtig überwiegend um Hybrid- bzw. Advanced Hybrid-Aid-Systeme handelt, ist der Fortschritt für das Diabetesmanagement von Menschen mit Diabetes enorm.Die nächste Generation an AID-Systemen werden auch den Mahlzeitenbolus automatisch abgeben, womit die gesamte Insulinapplikation automatisch erfolgen wird. Auch sind mit der iLet von Beta-Bionics und dem AID-Systems von Inreda zwei Systeme in Vorbereitung, bei denen sowohl Insulin, als auch Glukagon verabreicht werden kann. Beide sind noch nicht für den allgemeinen Einsatz zugelassen.
Kriterien zur Auswahl des passenden AID-Systems
Was die Auswahl der AID-Systeme durch die Patienten betrifft, so sind allgemeine Empfehlungen schwierig. Alle AID-Systeme bieten die Möglichkeit, nahezu normnahe Glukoseprofile zu erreichen – mit einem HbA1c-Wert ≤ 7,0%, einem Anteil an Glukosewerten im Zielbereich von 70-180 mg/dl (3,9-10,0 mmol/l) von ≥70% – und dies ohne ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien.Eine große Anzahl an klinischen Studien und auch an Daten aus dem Alltag (Real-World-Daten) von großen Populationen belegen dies. Die Wahl hängt insbesondere von der Präferenz der Patienten ab:
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