Diabetologen, rührt Euch!

Es gibt einen sehr sensiblen Gradmesser für die Veränderung im Berufsbild “Arzt”. 2004 waren zu 69 Prozent freiberufliche Vertragsärzte Träger Medizinischer Versorgungszentren. Diese Quote liegt inzwischen bei 61 Prozent. “Es ist anhand der Zahlen derzeit nicht zu sagen, ob der Anteil der Krankenhäuser als MVZ-Träger gestiegen und die absolute Zahl der Vertragsärzte gleich geblieben ist oder ob Letztere auch absolut den Rückzug angetreten haben. Egal wie die Zahlen zu interpretieren sind, sie bedeuten aus Sicht der Vertragsärzte auf jeden Fall Stagnation. Und ein “Stehenbleiben” können sich die Diabetologen in Umbruchzeiten wie diesen nicht leisten”, erklärt das BVND-Vorstandsmitglied Dr. Martin Reuter. Neben Krankenhäusern sind u.a. auch Apotheken und Managementgesellschaften Träger von MVZs. Angestellter Arzt dominiert Eine weitere Zahl, die Auskunft über das Schicksal “Arzt” gibt: Der Anteil von MVZs mit freiberuflich tätigen Ärzten sank gegenüber jenen, die überwiegend Festangestellte beschäftigen. Von Mai bis Dezember 2004 sank ihr Anteil von 60 auf 20 Prozent ab – auf Kongressvorträgen würde der Referent dies mit dem Hinweis “hoch signifikant” besonders betonen. Der angestellte Arzt dominiert die Medizinischen Versorgungszentren. Die unerfreuliche Überraschung kann noch kommen, denn über die Beschaffenheit von MVZs ist so gut wie nichts bekannt. Da keine Meldepflicht besteht, wer, wann und wo ein solches Zentrum gründet, entwickeln sie sich im toten Winkel: “Diese Datenlücke soll mit der Gesundheitsreform, vor allem dem Vertragsarztänderungsgesetz, geschlossen werden”, berichtet Martin Reuter. MVZ – muss das denn sein? MVZ – müssen sich Diabetologen überhaupt damit ernsthaft auseinandersetzen?, könnte eine Frage lauten. Nicht die Organisationsform eines MVZ ist das Ausschlaggebende, sondern die Bereitschaft für eine wie auch immer zu organisierende Zusammenarbeit. Für niedergelassene Diabetologen, so Reuter, gibt es Alternativen – vor allem ab dem Jahr 2007, wenn das Vertragsarztänderungsgesetz in Kraft tritt. Doch da MVZs nicht nur von Vertragsärzten gegründet werden, sind sie das Boot für andere, um kräftig mitzumischen (“Portal-MVZs”). Für die Diabetologen analysierte Martin Reuter: “Ein Ärztehaus oder auch eine Gemeinschaftspraxis kann im Großen und Ganzen das leisten, was auch ein Medizinisches Versorgungszentrum kann. Ein MVZ bringt uns keine wesentlichen Vorteile – auch nicht mehr Geld. Der einzige Vorteil des MVZ, Praxisärzte anzustellen, wird ab 2007 durch das Vertragsarztänderungsgesetz egalisiert. Es gibt aus Sicht des BVND derzeit keinen überzeugenden Grund, ein MVZ einzurichten.” Ein anderes Vehikel zur Kooperation ist die Integrierte Versorgung. MVZ und IV, beides sind zwei verschiedene Paar Schuhe, doch können MVZs Teil eines Vertrags zur Integrierten Versorgung werden. “Für die nahe Zukunft muss man mit einem Marktanteil Integrierter Versorgungsverträge von 17 Prozent bis 2010 rechnen. Tendenz weiter steigend. Bereits 2020 soll die 35-Prozent-Marke überschritten werden”, zitiert Martin Reuter Zahlen der Unternehmensberatung Roland Berger. Diabetologe Martin Reuter stellt klar, dass Integrierte Versorgung von den Ärzten nicht geliebt wird, aber: “Entgegen den Versprechungen werden wir Ärzte nicht von Budgets erlöst werden, werden nicht nach Euro und Cent bezahlt – die Gesundheitsreform wird dies nicht möglich machen. Aus dieser Perspektive – allen Vorbehalten zum Trotz – bieten IV-Verträge einen gewissen Schutz. Ein solches Unterfangen muss aber sehr professionell und mit sehr guten Partnern angepackt werden.”
Kein Weg führt an Kooperation vorbei Die gesamte Entwicklung wird die Sektorengrenze zwischen stationär und ambulant früher oder später sprengen. Deshalb sind gleiche, faire Ausgangsbedingungen zwischen beiden Ebenen unabdingbar. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat ein Schema aufgestellt, das die unterschiedlichen Verhaltensweisen der möglichen Partner Krankenhaus auf der einen und Praxis auf der anderen Seite gegenüberstellt. Niemand kann und will eine Kooperation in Frage stellen – dies ist der vernünftigste Weg. Was aber passiert, wenn sich eine der beiden oder gar beide störrisch stellen? Würde sich die stationäre Ebene quer stellen, wäre die zu erwartende Antwort der Niedergelassenen die Gründung von Ärztehäusern und ähnlichen Zusammenschlüssen. Gibt sich dagegen der ambulante Sektor als widerspenstige Braut, wird die Konfrontationslinien am Stichwort “Qualität” verlaufen. Akzentverschiebung Konfrontation, das ist nicht der Weg den der BVND einschlagen wird: “Wer die optimale Versorgung in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen stellt, wird die bestmögliche Umsetzung mit den richtigen Partnern finden. Handeln ohne Scheuklappen muss die Devise lauten”, erläutert Martin Reuter. Dies setzt voraus, dass die Politik nicht einseitig Stellung bezieht und die ambulante Versorgung durch niedergelassene, freiberufliche Ärzte nicht durch die Gesetzgebung ins Hintertreffen geraten lässt. Diabetologisches Kompetenzzentrum “Angebot aus einer Hand”, so Reuter, “ist die Maxime, auf die wir uns einzustellen haben.” Für den BVND sind daher die Schlussfolgerungen klar: “Verantwortung übernehmen und sich einmischen” formuliert der Verband. Um zum Beispiel MVZs in anderer Trägerschaft die Stirn bieten zu können, sollten sich Diabetologen auf die Basisvorteile niedergelassener Praxen einstellen:
  • Patientenorientiertes Verhalten
  • Schnelle Diagnostik und Therapie
Der BVND hat sich auf die Fahnen geschrieben, an der diabetologischen Infrastruktur zu arbeiten, um Entwicklungen, wie sie z.B. MVZs in anderer Trägerschaft auslösen können, wirksam begegnen zu können. Deshalb sollten sich Diabetologen mit Folgendem auseinandersetzen, wenn sie in den sich vernetzenden Strukturen an führender Stelle dabei sein wollen: Diabetologen können mit ihren Praxen bzw. Schwerpunktpraxen auf folgenden Gebieten punkten: Leitbild könnte das Modell eines diabetologischen Rundumversorgers sein, ein Modell, in das zum Beispiel Verträge zur Integrierten Versorgung eingebracht werden könnten. “Eine Verbindung zur IV-Systematik hätte den Vorteil, verschiedene Fachdisziplinen einzubinden. Ein möglicher Partner ist der Kardiologie. Auch Fußzentren sind denkbar, in denen mit orthopädischen Schuhmachern zusammengearbeitet wird”, schildert Martin Reuter. Weitere Themen diabetologischer Kompetenzzentren könnten sein:
  • Weiterbildung etwa im Bereich der Pflege
  • Patienteninformation
  • Prävention
  • Studienzentrum
Der BVND wird dies weiter ausarbeiten: “Wir sind uns bewusst, dass vor allem die wirtschaftliche Seite von Wichtigkeit ist. Es gibt viele wichtige Themen, die wir Diabetologen bearbeiten können – nur sie müssen auch wirtschaftlich tragfähig sein”, schildert Martin Reuter die Aufgaben der nächsten Zeit. Zusammenfassung Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu entwickeln – Diabetologen müssen sie nützen. Sich auf fachübergreifende Kooperationen einzustellen ist ein absolutes “Muss”. Kommt das Vertragsarztänderungesetz 2007, haben Praxen, Gemeinschaftspraxen und Ärztehäuser alle Vorteile auf ihrer Seite. Der einzige Vorteil, den MVZs heute noch haben (Ärzte anstellen zu können), ist dann aufgehoben. MVZs sind eher als Einstiegstor für “Dritte” in die ambulante Versorgungsebene anzusehen (“Portal-MVZ”).

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