Diabetes Typ 1, Typ 2, Typ 3 … reicht das aus?

Typ-2-Diabetes: Eine sehr heterogene Gruppe

Neben sehr speziellen Diabetesformen (Diabetes Typ 3) wird bei neu entdecktem Diabetes mellitus in der Regel zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2 unterschieden. Dabei werden Menschen mit Typ-1-Diabetes in der Regel sofort mit Insulin behandelt (Typ-1-Diabetes definiert sich ja gerade über den absoluten Insulinmangel). Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist die initiale Therapie und das Ansprechen auf diese Therapie aber sehr unterschiedlich: Dies führt häufig zu einem „Ausprobieren“. Die gewählte Therapie hängt dann stark von der behandelnden Ärztin/vom behandelnden Arzt ab, was zu einer Unter- oder Übertherapie führen kann. Die Gruppe der Menschen, die an Diabetes Typ 2 erkrankt sind, ist eben sehr heterogen. Erfahrene Behandlerinnen und Behandler berücksichtigen spezielle Faktoren wie Alter, Bauchfett, Dynamik des Krankheitsverlaufs; eine systematische und vergleichbare Einteilung ist jedoch noch nicht etabliert.

Fünf Untergruppen bei neu entdecktem Typ-2-Diabetes: Ein recht stabiles Muster

Eine schwedische Arbeitsgruppe hat bereits 2018 eine neue Klassifikation des Typ-2-Diabetes vorgeschlagen (Ahlqvist E etz al. Lancet Diabetes Endocrinol 2018). Dieser Vorschlag basierte auf einer Untersuchung von fast 9000 Personen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes. Sie fanden sechs geeignete Variablen, die sie ihrer Klassifikation zugrunde legten:

  • GAD-Antikörper, die klassischerweise den Typ-1-Diabetes auszeichnen
  • Alter bei der Diagnose
  • Body-Mass-Index
  • HbA1c (Blutzuckerlangzeitwert)
  • „HOMA“ – eine Berechnung zur Beurteilung der
    a) Insulinresistenz/Empfindlichkeit für Insulin
    b) Insulinsekretion/Eigenproduktion von Insulin
Die Zusammensetzung dieser sechs Variablen ermöglichte das Erkennen von fünf Untergruppen innerhalb der Gruppe der 9000 Personen:

  • Gruppe 1 (7%): Schwerer autoimmun bedingter Diabetes – wohl am ehesten der klassische Typ-1-Diabetes. Die Betroffenen waren jung, relativ schlank, schwer einstellbar und wiesen im Labor GAD-Antikörper auf.
  • Gruppe 2 (18%): Schwerer Insulinmangeldiabetes. Die Betroffenen waren vergleichbar mit Gruppe 1 – jung, relativ schlank, schwer einstellbar, aber keine GAD-Antikörper im Labor und eine geringe eigene Insulinproduktion.
  • Gruppe 3 (15%): Schwerer insulinresistenter Diabetes. Die Betroffenen waren relativ übergewichtig und hatten im Labor eine starke Insulinresistenz/Unempfindlichkeit für Insulin.
  • Gruppe 4 (22%): Leichter adipositas-bedingter Diabetes. Die Betroffenen waren übergewichtig, aber nicht insulinresistent, leichte Stoffwechselstörung.
  • Gruppe 5 (39%): Leichter altersbedingter Diabetes. Die Betroffenen waren vergleichbar mit Gruppe 4 (leichte Stoffwechselstörung), aber älter.
Interessanterweise war die prozentuale Verteilung bei anderen untersuchten Gruppen von Personen mit neu aufgetretenem Diabetes mellitus sehr ähnlich. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Einteilung ein geeignetes Modell für die Einteilung der sehr heterogenen Gruppe der Menschen mit Typ-2-Diabetes darstellt.

Einteilung in fünf „Cluster“: Praktische Bedeutung?

Verlaufsbeurteilungen zeigen, dass sich die Gruppen hinsichtlich der notwendigen Therapie und des Risikos und der Verteilung von Spätfolgen unterscheiden. Insofern können „Cluster“ eine Hilfe für die in der modernen Therapieplanung angestrebte individualisierte Therapie (Präzisionsmedizin) sein.

Zum Beispiel ist es offensichtlich, dass Gruppe 2 (schwerer Insulinmangeldiabetes) von einer frühzeitigen Insulintherapie profitiert. Die Gruppen 1 und 2 entwickeln am ehesten eine Retinopathie, die Gruppe 3 eine Nephropathie und eine Fettleber (eher als die Gruppen 4 und 5). Die Gruppen 4 und 5 zeigen eher „milde“ Verlaufsformen mit weniger Spätschäden, sodass hier eine Übertherapie vermieden und ggf. auch die Behandlung deeskaliert werden kann.

Fazit

  • Mit den berichteten Untergruppen („Clustern“) konnte ein nachvollziehbares Muster in der heterogenen Gruppe der Menschen mit neu entdecktem Typ-2-Diabetes identifiziert werden.
  • Die Untergruppen zeigen unterscheidbare Besonderheiten hinsichtlich der notwendigen Therapie und der Entwicklung von Spätschäden.
  • Möglicherweise ergibt sich daraus eine neue Klassifikation des Typ-2-Diabetes, die für die individuelle Therapieplanung hilfreich sein kann (Präzisionsmedizin). Weitere Untersuchungen und die Bestätigung der Modelle in anderen Patientengruppen müssen dies zeigen.

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Dieser Artikel wurde verfasst von Sebastian Zink