So wird der Blutzucker richtig gemessen
Auch wenn es sich bei der Blutzuckerselbstkontrolle um eine bewährte und etablierte Methode handelt, treten immer wieder auch Fehler bei der Messung auf. Dies macht eine immer wiederkehrende Erörterung und ggf. auch Kontrolle der Vorgehensweise durch Mitglieder des Diabetesteams notwendig. Zu beachten sind [1]:- Vor der Messung sind die Hände zu waschen. Es dürfen keine Speisereste auf dem Finger sein (nach dem Essen von Süßigkeiten, Kontakt mit Obst und Obstsäften, usw.). Hautcreme oder Desinfektionsmittel können die Messung ebenfalls verfälschen. Zu beachten ist auch, dass es Seifenprodukte gibt, die Zucker enthalten (Karamell-Seife, Orangen-Seife etc.). Dann kann das Waschen für falsch hohe Blutglukosewerte sorgen.
- Man kann die Sicherheit der Messung erhöhen, wenn man den zweiten Blutstropfen für die Messung verwendet.
- Zur Blutentnahme sollte die Fingerbeere seitlich angestochen werden. Zeigefinger und Daumen sind eher ungünstig.
- Bei erstmaliger Nutzung einer neuen Stechhilfe sollte mit der kleinsten Stechtiefe begonnen werden. Die richtige Stechtiefe ist die, die einen ausreichend großen Blutstropfen gewährleistet. Die mit einem Facettenschliff versehenen Lanzetten sind Einmalartikel, deren Spitze nach der Benutzung stumpf werden kann.
- Aus den Unterlagen der Hersteller gehen wichtige Angaben hervor, die der Anwender wissen sollte, wie die Frage, ob bei nicht ausreichender Blutmenge nachdosiert werden darf, in welchem Temperaturbereich gemessen werden soll und welche Medikamente das Messergebnis beeinflussen können.
Blutzuckermessung an alternativen Körperstellen
Die Fingerspitzen sind ein Tastorgan und deshalb besonders gut mit Nerven durchdrungen, so dass der Einstich zur Blutentnahme dort schmerzhafter ist als an Körperstellen, wo weniger sensible Nervenenden anzutreffen sind (z.B. Handballen, Unter-/Oberarm, Bauch, Unter-/Oberschenkel). Narbenbildung an den Fingerkuppen schädigen den Tastsinn. Es ist deshalb sinnvoll Blut an alternativen Körperstellen zur Fingerbeere zu entnehmen.Weil die zu gewinnende Menge an Blut dort aber deutlich geringer sein kann als an der Fingerbeere, konnten alternative Körperstellen erst genutzt werden, seit es Geräte gibt, welche für die Blutglukosemessung nur geringe Blutmengen (um die 0,5 µl) benötigen. Das ist praktisch bei allen aktuellen Blutglukosemesssystemen der Fall (Herstellerangaben überprüfen!). Die Blutglukosekonzentration ist an der Fingerbeere und am Unterarm oder Handballen gleich, wenn die Stoffwechselsituation stabil ist. Bei Anstiegen bzw. Abfällen des Glukosespiegels ist das jedoch nicht der Fall [2,3].
Nach den ursprünglichen Untersuchungen zu den alternativen Teststellen wurde der Unterschied von Fingerbeere zu alternativer Teststelle in Phasen schneller Blutglukoseänderungen mit der besser durchblutete Fingerbeere erklärt. Aus den Erfahrungen mit der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) ist die Begründung stichhaltiger, dass bei der Blutentnahme an Unterarm oder Handballen ein gewisser Anteil interstitieller Flüssigkeit aufgesogen wird, in welcher der Glukosewert „hinterherhinkt“. Auf jeden Fall ist wichtig, dass eine Messung bei rascher Glukoseänderung nicht an alternativen Teststellen erfolgen sollte. Das empfiehlt sich bei postprandialen Messungen, insbesondere jedoch bei Gefahr einer Hypoglykämie.
Einflussfaktoren und Fehlerquelle bei der Blutzuckermessung
Verschiedene Faktoren können die Genauigkeit der Blutglukosemessung beeinflussen, wie:1. Anwendungsfehler: Unsachgemäße Handhabung oder unzureichende Blutmenge können die Ergebnisse verfälschen. Sie sind eine häufigste Fehlerquelle.
2. Teststreifen: Abgelaufene oder falsch gelagerte Teststreifen können ungenaue Ergebnisse liefern. Die falsche Lagerung betrifft insbesondere die Aufbewahrung bei Hitze und Frost. Weiterhin sind die Teststreifen immer in der verschlossenen Dose/Verpackung aufzubewahren, trocken und lichtgeschützt.
3. Umweltbedingungen: Extreme Temperaturen können die Messgenauigkeit beeinträchtigen. Das betrifft sowohl den hohen (>30oC), aber auch den niedrigen Temperaturbereich (< 10oC). Die genauen Angaben für die verschiedenen Maßsysteme sind aus denen Gebrauchsunterlagen zu erfahren. Generell ist die Messung bei Zimmertemperatur sicher. Auch Höhenlagen (> 3.000 m) können zu Fehlmessungen führen, insbesondere bei längeren Aufenthalten, bei denen der Organismus versucht, durch eine erhöhte Produktion von Erythrozyten mehr Sauerstoff aufzunehmen. Das erhöht den Hämatokritwert. Seit ca. 2010 wird aber der Hämatokritwert je nach Messsystem als gemessener oder geschätzter Wert berücksichtigt, um plasmareferenzierte Glukosewerte anzuzeigen [4]. Bei älteren Messgeräten ist Vorsicht geboten.
4. Überprüfung der Messgenauigkeit: Die Geräte sind werkskalibriert. Ab und zu sollte aber eine Überprüfung der Messgenauigkeit mit einer systemspezifischen Kontrolllösung erfolgen. Dazu sind die Angaben der Hersteller zu beachten.
Dokumentation der Blutzuckerwerte
Für die mit einem Blutzuckermessgerät gemessenen Glukosedaten ergeben sich zwei Ebenen der Betrachtung: einerseits für den Patienten in seinem Therapiemanagement, andererseits für das Behandlungsteam bei der Beurteilung des Therapieerfolges bzw. als Basis für eine ggf. notwendige Therapieoptimierung.Dies setzt voraus, dass die Blutglukosewerte auch im Zusammenhang mit der Therapie stehen müssen, was bei Patienten mit Insulintherapie auch die Dokumentation der verabreichten Insulindosierungen beinhaltet. Darüber hinaus ist die konsequente Dokumentation der Blutglukosemesswerte für die Kostenträger eine Voraussetzung für die Kostenerstattung neuer innovativer Therapeutika und Diabetestechnologien (Insulinpumpen, CGM, AID-Systeme). Dokumentierte Daten können schließlich auch von Gerichten angefordert werden, so wenn es darum geht, ob häufig Hypoglykämien auftreten, welche die Verkehrstauglichkeit gefährden können.
Daraus folgt, dass für letztere die Glukosedaten aufgearbeitet sein müssen. Das heißt, die Patienten leiten aus dem aktuellen Glukosemesswert eine therapeutische Handlung ab, zum Beispiel für die Dosierung des Insulins zu einer Mahlzeit bzw. zur Korrektur erhöhter Glukosewerte. Die Messdaten trägt der Patient in ein Tagebuch ein bzw. er nutzt sinnvollerweise die modernen elektronischen Möglichkeiten der Datendarstellung und Auswertung. Dafür haben alle Anbietern von Blutglukosemessgeräten entsprechende Softwarelösungen.
Verfügbar sind auch herstellerunabhängige Softwarelösungen z.B. SiDiary von Sinovo oder Diabass von mediaspects GmbH [5]. Alle Softwarelösungen zeigen den Glukoseverlauf über einen gewählten Zeitraum, stellen Glukosetrends dar, zeigen typische Glukosemuster, ermitteln Standardtage usw., jeweils über einen gewählten Zeitraum. Die Darstellungen und Analysen werden von den Patienten typischerweise als SmartPhone-Applikation genutzt.
Besonders für die Diabetesteams sind PC-Softwarelösungen und Web-Browser Applikationen sinnvoll. Diese Softwarelösungen bieten meist die Möglichkeit der Einbeziehung größerer Datenmengen, beispielsweise vom kontinuierlichen Glukosemonitoring (CGM). Bezüglich der Analyse von Messwerten mit Blutzuckerselbstkontrolle muss allerdings vorausgesetzt werden, dass strukturiert gemessen wird, d.h. die Ermittlung der Glukosewerte in bestimmten Zeitabschnitten zu typischen Tagesaktivitäten (Nahrungsaufnahme, Sport etc.).
Literatur:
[1] Schlüter S, Deiss D, Gehr B, Lange K, von Sengbusch S, Thomas A, Ziegler R, Freckmann G. Glukosemessung und -kontrolle bei Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Diabetol. und Stoffwechsel 2023; 18 (Suppl 2): S114-S135. DOI 10.1055/a-2075-9968.
[2] Jungheim K, Koschinsky T: Risky delay of hypoglycemia detection by glucose monitoring at the arm. Diabetes Care 2001; 24(7)): 1303-1304.
[3] McGarraugh G, Price D, Schwartz S, Weinstein R: Physiological Influences on off-finger glucose testing. Diabetes Technology & Therapeutics 2001; 3(3): 367-376.
[4] Pleus S, Heinemann L, Freckmann G, Nauck M, Tytko A, Kaiser P, Petersmann A. Glukosemessung in der Diabetesdiagnostik und -therapie: Laboratoriumsmedizinische Untersuchung inkl. patientennaher Sofortdiagnostik, Blutglukoseselbstmessung und kontinuierliches Glukosemonitoring. Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(01): 52-60. DOI: 10.1055/a-1528-8248
[5] Thomas A, Sahm C. Softwarelösungen für das kontinuierliche Glukosemonitoring. Diabetes aktuell 2020; 18: 262–266
Kategorisiert in: Selbstkontrolle
Dieser Artikel wurde verfasst von admin