Elmauer Gespräche 2005 – Modelle weiterentwickeln

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Ärztliche Zusammenarbeit ist nichts Neues

Wie sie in Zukunft organisiert wird, ist jedoch entscheidend für weitere Fortschritte in der Diabetes-Versorgung.

Zukunft, Perspektiven, Potenziale – das klingt nach einem bunten Markt neuer Möglichkeiten. Die drei Begriffe sind Schlagworte der Vortragstitel der Elmauer Gespräche 2005, die Ende Februar in der winterlichen Abgeschiedenheit Oberbayerns stattgefunden haben. Der Expertendialog, organisiert von Roche Diagnostics, widmet sich jedes Jahr Fragen der Diabetes-Versorgung; der optimistische Grundton der Überschriften der Diskussionsbeiträge ist also Ausdruck einer positiv nach vorne schauenden Pharmafirma oder ein Zeichen dafür, dass Diabetes eines der wenigen Gebiete der deutschen Gesundheitspolitik ist, auf dem zuversichtlich Neues gewagt wird. Tatsächlich betonte Prof. Dr. med. Bertram Häussler vom Berliner IGES-Institut auch die Stärken der aktuellen Versorgung: Rund 1.100 diabetologische Schwerpunktpraxen, über 5.000 diabetologisch geschulte Hausärzte nach ZI oder 3.500 Diabetesberaterinnen und -assistentinnen: “Das sind Erfolge, die man auch so nennen sollte.” Dienstleister auf dem Vormarsch In seinem Vortrag ging es Häussler aber um die Diabetesversorgung der Zukunft. Integriert, vernetzt und transparent ist das Idealbild, aber wie wird es erreicht? Als wichtige Rahmenbedingungen für die Entwicklung nannte er neue Einrichtungen wie die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und neue Finanzierungsmöglichkeiten wie die Integrierte Versorgung (IV). Diese mache zum Beispiel den technologischen Mehraufwand von Vernetzung durch Querfinanzierung tragbar. Mit diesen beiden Werkzeugen sei es gelungen, institutionelle Verkrustungen aufzuweichen. Zum Rahmen gehören auch neue Technologien für Dokumentation und Entwicklung wie die Gesundheitskarte und der Morbi-RSA oder andere Maßnahmen gegen finanzielle Nachteile von Kassen mit qualifizierten Versorgungsangeboten. Als wahrscheinliche Entwicklung nannte Häussler eine fortschreitende Spezialisierung; Teilprozesse auch aus dem hausärztlichen Bereich würden an Dienstleister übertragen werden. Als Beispiel nannte er die Patientenführung, das Case-Management durch Call Center oder komplexe verhaltensmedizinische Interventionen, aber auch Laborkontrollen bei unkomplizierten Verläufen. Weiter räumt er der IV vor allem bei Typ-1-Diabetikern sowie bei Hochkostenfällen bei Typ 1 oder 2 umfangreiche Möglichkeiten ein, die MVZ würden vor allem in Ballungszentren starke Bedeutung bekommen. Und schließlich würden Qualitätssicherung und -management zunehmen, sei es in einem zentralen Modell als Weiterentwicklung der DMP durch elektronische Echtzeiterfassung in einer Zentrale oder Qualitätsrückmeldung mit Benchmarking, sei es in einem dezentralen Modell mit Zertifizierung des internen QM und der Nutzung von IT-basierten Systemen des Qualitätsmonitorings. “Das monolithische DMP ist kein Anreiz, etwas auszuprobieren”, bedauerte Häussler und forderte, weiter in Modellprojekten Neues zu versuchen. Denn man könne mit Stolz und Zufriedenheit an der Entwicklung der Diabetesversorgung sehen, dass sich das Gesundheitssystem sehr wohl verändern lasse, manchmal mehr als man meint. Amberg auf dem Weg zur Capitation Ein konkretes Beispiel neuer Versorgungsformen gab Dipl.-Ing. Hanswerner Voss, Geschäftsführer des “Unternehmens Gesundheit Oberpfalz-Mitte”. Die 68 niedergelassenen Allgemein- und Fachärzte, drei Kliniken und ein ambulantes Operationszentrum haben sich mit einer verbindlichen Gesellschafterstruktur als GmbH & Co.KG zusammengetan und das Unternehmen unter ein hehres Motto gestellt: “Wir wollen mit Gesundheit verdienen statt mit Krankheit.” Das Netz ist über einen bis Dezember 2006 laufenden IV-Vertrag nach § 140 a SGB V mit der AOK in das “normale” Gesundheitssystem eingebunden. Modellcharakter hat vor allem aber die Organisation selbst: Eine einheitliche, strukturierte und evaluierbare Dokumentation über intelligente Formulare im Netz vermeidet doppelte Arbeit der Kollegen. Die Datenhaltung der elektronischen Patientenakte ist dezentral; “zentral ist nicht zielführend”, meint Voss: Hier müssten Arzt und Patient gemeinsam den Zugriff freigeben, was in der Praxis bei hauptsächlich abends oder am Wochenende erledigten Dokumentationsaufgaben nicht funktioniere. Ein gemeinsamer Server in Hochsicherheitsumgebung sammelt automatisch Daten für die Versorgungsforschung, Daten, die in Kooperation mit dem hessischen Pharmadienstleister NDC Health vermarktet werden. Und sie sind begehrt, ist es doch das erste Mal in Deutschland, dass sektorübergreifende Falldaten zur Verfügung stehen. Ein Controllingsystem sorgt durch seinen Benchmark dafür, dass die Teilnehmer einen medizinischen und betriebswirtschaftlichen Überblick über die Kosten einer Patientenkarriere erhalten. Die daraus resultierende Fokussierung auf Gesundheit soll 2007 zu einem Capitation-Modell der Abrechnung führen. Eine Arzneimittelkommission wählt für das Netz aufgrund der Evidenz der OVID-Datenbank Medikamente aus; die daraus resultierenden Einsparungen können in Integrationsdienstleistungen investiert werden. Und 7.500 Euro pro Praxis und Jahr spart das Netz durch gemeinsamen Einkauf ein. Patientenwünsche kennen und erfüllen All diese Dinge kommen letzten Endes dem Patienten zu Gute. Doch die Organisatoren wollten mehr wissen und fragten nach. Die Patienten wollten Zeit sparen, am liebsten noch am selben Tag vom Allgemein- zum Facharzt überwiesen werden. Sie wollten Schulung und Compliance-Unterstützung und schließlich auch Motivation und Belohnung. Letzteres sei nach der einjährigen Evaluierung dieser Ergebnisse vor allem im Bereich Diabetes auch umgesetzt worden. Als Beispiel nannte Voss die Compliance-Unterstützung durch die Mellibase-Software aus dem Roche-Konzern. Die Unterstützung bestünde hier in der Aufbereitung der medizinischen Daten “in der Sprache der Patienten”. Zwar könne der in seiner elektronischen Akte auch andere Daten einsehen, aber nur die Mellibase-Daten hätten auch eine hohe Chance, vom Betroffenen verstanden zu werden, erläuterte der UGOM-Geschäftsführer. Gut für die 7.000 eingetragenen Netzpatienten unter den 15.000 AOK-Versicherten in Amberg und Umgebung. Und die 60.000 potenziellen Patienten, wenn auch andere Kassen in die IV einsteigen.

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