Diabetes und arterielle Hypertonie

Diabetes und arterielle Hypertonie Häufig verkannt, zu selten nachhaltig behandelt

Der Leiter des Diabeteszentrums Bad Oeynhausen, Prof. Dr. med. Diethelm Tschöpe, erläutert, warum Diabetiker mit erhöhtem Blutdruck besonders gefährdet sind. In der klinischen Risikofaktorenphänomenologie des Diabetes mellitus findet sich die arterielle Hypertonie besonders häufig: Beim Typ-1-Diabetes als Konsequenz hyperglykämiebedingten, vaskulären Remodellings als klassische Folgekomplikation, beim Typ-2-Diabetes häufig bereits als arteriosklerotische Begleiterkrankung mit Manifestation der Stoffwechselerkrankung. Zu beachten ist, dass die Diagnose der arteriellen Hypertonie bei Blutdruckwerten über 140/90 mm/Hg definitiv zu treffen ist, dass sich darunter aber eine wichtige Graduierung von kategorischen Bewertungen eingeführt hat, wobei Werte unter 120/80 mm/ Hg als optimal eingeschätzt werden. Umgekehrt führt der Diabetes mellitus per se zu einer drastischen Erhöhung des klinischen Risikos, die etwa drei weiteren klassischen arteriosklerotischen Risikofaktoren entspricht. Die nahezu doppelt so hohe Inzidenz von Diabetes mellitus bei arterieller Hypertonie wird häufig verkannt, weil eine entsprechende Stoffwechseldiagnostik bei diesen Patienten unterbleibt und so die besonders kritische Komorbidität verkannt wird. Gegenseitige Permissivität zwischen Blutzucker und Blutdruck Der gut bekannte therapeutische Effekt einer nur mäßigen Blutdrucksenkung in der VKPDS-Studie von 10/5 mm/Hg auf klinische Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall et cetera ist als herausragendes Ergebnis der Studie bekannt geworden. Immer wieder wurde versucht, die geringere Effektivität der Blutzuckersenkung als Kriterium für eine Risikofaktorengewichtung heranzuziehen. Dabei zeigt die weniger bekannte verbundene epidemiologische Auswertung, dass zwischen Blutzucker und Blutdruck wohl eine gegenseitige Permissivität besteht, was schlicht bedeutet, dass die Schädlichkeit erhöhter Blutdruckwerte im Wesentlichen von gleichzeitig erhöhten Blutzuckerwerten abhängt. Hieraus ergibt sich notwendigerweise das Konzept einer zielwertgerechten Behandlung von beiden Risikofaktoren. Die 2003 publizierten Ergebnisse der HYDRA-Studie, die als Punktprävalenzstudie in der hausärztlichen Praxis an mehr als 45.000 Patienten durchgeführt wurde, ergänzen die alarmierenden epidemiologischen Studienergebnisse. Legt man die oben genannten definitorischen Grenzen zugrunde, so sind trotz Behandlung in Deutschland nur zwischen 20 bis 40 Prozent der bekannten Hypertoniker angemessen behandelt. Auffällig in dem eingangs formulierten Sinne war die hohe Prävalenz beider Risikofaktoren zusammen.
So sind in der Altersgruppe über 60 mehr als 2/3 von mindestens einem oder beiden Risikofaktoren betroffen. Der sicher beeindruckende Befund einer hohen Assoziation mit Endorganschäden wie koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, arterieller Verschlusskrankheit, Schlaganfall et cetera und ihre überadditive Wirkung konnte eindrucksvoll durch den Nachweis von relativen Risikosteigerungen bis zum 15fachen gegenüber der Normalbevölkerung nachgewiesen werden. So erhöht sich etwa das relative Risiko bei Patienten mit Hypertonie und Diabetes um den Faktor fünf. Erschreckend ist allerdings die hohe Prävalenz der Mikroalbuminurie von bis zu 40 Prozent in der Kombinationsgruppe, was die außerordentlich hohe Bedeutung dieses Parameters für die prognostisch richtige Einschätzung dieser Patienten bedeutet. Die Risikobewertung der Mikroalbuminurie erfährt derzeit eine weitere Verschärfung durch Daten der Kopenhagen-City-Heart-Studie, die auch die pathogenetische Bedeutung für den Progress der diabetischen Nephropathie die Mikroalbuminurie zum Ziel therapeutischer Bemühungen macht, deren Bedeutung durch die Post-hoc-Analyse der Renalstudie eindeutig bestätigt wurde. Effektive Blutdrucksenkung als kleinster gemeinsamer Nenner Die Bewertung und Klassifikation von Therapiestrategien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie bei Diabetes mellitus wurde leider durch eine wenig zielführende Diskussion über die Wertigkeit verschiedener antihypertensiver Substanzen verzerrt. Unstrittig ist, dass der Blutdruck bei Patienten mit Diabetes mellitus mindestens in den Normalbereich (130/80 mm/Hg) gesenkt werden soll, besser darunter, wenn nebenwirkungsfrei erreichbar und individuell gut vertragen. Das Paradigma der effizienten Blutdrucksenkung gilt derzeit als der kleinste, gemeinsame Nenner einer Bewertung verschiedener Therapiestrategien. Bei der Indikationsstellung zur Behandlung mit einer antihypertensiven Substanz muss allerdings ein strikt individualisierter Therapieansatz gewählt werden um abzugleichen, inwieweit die mit einer Substanz verbundenen Effekte auf die individuelle Risikofaktorenphänomenologie und ihre Behandlung des einzelnen Patienten passt. Dieser Ansatz entspricht im Wesentlichen dem Vorschlag der Deutschen Hypertonieliga sowie dem INC 7, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass zur regelhaften Erreichung der erforderlichen Zielwertbereiche eine Kombination mehrerer Substanzen gewählt werden muss. Es kann nicht deutlich genug darauf hingewiesen werden, dass sich sowohl in der Diabetesbehandlung als auch in der Behandlung der arteriellen Hypertonie nicht medikamentöse Begleitmaßnahmen als wesentliche Therapieergänzung zur Erreichung des am Zielwert gemessenen Therapieerfolges erwiesen haben. Kochsalzreduktion sowie die Anpassung an ballaststoffreiche Indexdiäten (zum Beispiel Dash) empfehlen sich als evidenzbasierte Basistherapeutika. Es muss darauf hingewiesen werden, dass eine erfolgreiche Hypertoniebehandlung nicht nur unter dem Aspekt einer Prävention des arteriosklerotischen Risikos gesehen werden darf, sondern auch für die angemessene Betreuung des bereits organkranken Patienten mit Diabetes mellitus gilt. Die Zahl entsprechend betroffener Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz ist besonders groß und zeigt, dass erneut diabetologische und hypertensiologische Expertise zur erfolgreichen Behandlung dieser prognostisch ungünstig einzuschätzenden Patientengruppe gefordert sind.
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