Hochleistungssport und Typ-1-Diabetes

Hochleistungssport und Typ-1-Diabetes, ist das machbar?

Diabetes mellitus Typ 1 ist kein Hindernis für Hochleistungssport. Das beweisen Weltmeister/innen, deutsche Meister/innen und Olympiasieger/innen, die trotz ihrer Erkrankung es in den Spitzensport geschafft haben. Diese außergewöhnliche Leistung ist nur in Kenntnis des eigenen Körpers und seiner individuellen Reaktion auf Ausdauersport möglich. Dafür gibt es Erkenntnisse und Regeln, die bei Diabetes mellitus Typ 1 individuell angepasst werden müssen. Viele Frauen und Männer mit Typ 1 Diabetes betreiben Ausdauersportarten wie Marathon, Radrennen oder Triathlon. Das Risiko besteht in Stoffwechselentgleisung und Hypoglykämie. Um diese Risiken zu vermeiden und um optimale Ergebnisse in seiner Sportart zu erreichen, sollte jeder mit Typ-1-Diabetes die wichtigsten sportphysiologischen Grundlagen für den Ausdauersport kennen. Nur so können Fehler vermieden werden und der erfolgreiche Zieleinlauf ist gesichert.

Kohlenhydrate und Fett liefern Energie

Zur Durchführung eines Ausdauersports wird Energie benötigt. Athleten schöpfen diese Energie aus den körpereigenen Energiespeichern und durch Energiezufuhr im Wesentlichen durch Kohlenhydrate. Die körpereigenen Energiespeicher sind die Leber und die Muskulatur. In Leber und Muskulatur ist Glukose in Form von Glykogen gespeichert. Glykogen ist die Verbindung von mehreren Zuckermolekülen. Die Glukose kann durch Glykogenolyse und Gluconeogenese aktiviert werden kann. Glykogenolyse bezeichnet den Abbau des gespeicherten Glykogen in einzelne Zuckermoleküle und Gluconeogenese die Neubildung von Glukose. Ein weiterer großer Energielieferant ist das körpereigene Fett. Adrenosintriphosphat (ATP) ist der direkt verfügbare Energielieferant der Zellen. Die Zelle erhält ihre Energie durch Abspaltung von ein oder zwei Phosphatmolekülen von ATP. Bewegt sich der Athlet im aeroben Bereich wird die Glukose und das Fett vollständig zu ATP oxidiert. Im anaeroben Bereich wird Laktat produziert. Lange dachte man, dass Laktat gefährlich ist und nicht als Energielieferant zur Verfügung steht. Heute weiß man jedoch, dass Laktat, welches ebenfalls ein Kohlenhydrat ist, mit bis zu 50 % zum Energiebedarf beiträgt. Training erhöht die individuelle Toleranz gegenüber Laktat.

Die Rolle des Glykogenspeichers

Während der aeroben Belastung entleeren sich die Glykogenspeicher in Leber und Muskulatur. Die körperliche Aktivität stimuliert beim Gesunden den Abfall von Insulin und die erhöhte Ausschüttung von Glucagon. Dies aktiviert die Glykogenolyse und die Gluconeogenese in der Leber. Bei einem Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 fällt das zugeführte Insulin durch die Übung nicht ab, im Gegenteil, er hat womöglich eine verstärkte Mobilisation des Insulins aus den subkutanen Depots. Die Überinsulinierung blockiert die Glukoseproduktion der Leber. Dies erhöht das Risiko für Unterzuckerungen 20-30 min nach Beginn der körperlichen Belastung, nachdem die hepatischen und muskulären Glykogenspeicher entleert sind.

Risiko der Hypoglykämie (Unterzuckerung)

Durch die Ausdauerbelastung erhöht der insulinunabhängige GLUT 4 Transporter seine Aktivität. Der Transport von Glukose in den Muskel ist erhöht. Dies trägt mit zu dem erhöhten Risiko für Unterzuckerungen bei. Bei dauernder, möglichst hoher, aerober Belastung ist die Glukoseoxidation maximal, welches ebenfalls das Risiko für Unterzuckerungen erhöht. Was passiert nun mit den Blutzuckerspiegeln bei Athleten mit Typ-1-Diabetes, wenn sie ihre Sporteinheit absolvieren? Zunächst fällt der Blutzucker innerhalb von 20-30 min schnell ab. Durch den Abfall des Blutzuckers setzt die hormonelle Gegenregulation ein. Es werden Stresshormone wie Cortisol, Katecholamine und Wachstumshormon freigesetzt. Diese erhöhen die Insulinresistenz und fördern die Gluconeogenese. Die Folge ist ein Ansteigen der Blutzuckerwerte über den Ausgangswert, mit dem die Athleten ihre Sporteinheit begonnen hatten. Diese erhöhten Blutzuckerwerte halten oft lange bis nach der Sporteinheit an und fallen erst verspätet ab. Da die Glykogenspeicher entleert sind kommt es daher häufig aufgrund der Überinsulinierung zu nächtlichen Hypoglykämien.

Blutzucker soll möglichst stabil bleiben

Die Kenntnis dieses etwas vereinfacht dargestellten Verlaufes der Blutzuckerwerte hilft, die wesentlichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die maximale Leistungsfähigkeit zu erreichen. Gewollt sind möglichst gleichmäßige Blutzuckerprofile. Der Abfall nach Beginn der Belastung sollte nicht so stark ausfallen. Dadurch ist die Gegenregulation geringer und die reaktive Hypoglykämie danach fällt schwächer aus.

Hochleistungssport und Typ-1-Diabetes: die Maßnahmen

  1. Die Kohlenhydratspeicher sollten aufgefüllt sein.
  2. Kohlenhydrate müssen kontinuierlich zugeführt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Glukose über den SGLT1-Transporter (Natrium-Glukose Co – Transporte 1) in der Darmwand aufgenommen wird. Die Transportkapazität ist beschränkt. Bis 2008 glaubte man, dass dadurch die maximale Zufuhr an Kohlenhydraten bei 1 g/min liegt (Kerksick et al. J Int Sports Nutr. 2008). Durch den Nachweis des GLUT5-Transportsystems (Currel und Jeudendrup, 2008, Med Sci Sports Exerc) konnte durch Nutzung beider Transportsysteme für Glukose und Fructose die Aufnahme von Kohlenhydraten auf 90 g/h erhöht werden. Die Zusammensetzung der Nahrung Glukose : Fructose sollte im Verhältnis 2 : 1 sein, welches von den meisten Herstellern auch so angeboten wird. Der Natrium – Glukose Co – Transporter benötigt Natrium, welches in Kochsalz enthalten ist. Damit die Kohlenhydratresorption funktioniert, müssen noch 1 – 2 g Kochsalz pro Stunde zugeführt werden. Eine größere Zufuhr als 60g/h Glukose und 30 g/h Fructose ist nur unnötiger Ballast und verursacht verstärkt gastrointestinale Beschwerden.
  3. Basal und Bolusinsulin müssen reduziert werden. Eine pauschale Regel kann nicht gegeben werden. Dies ist individuell unterschiedlich und muss in Trainingseinheiten herausgefunden werden. Die Reduktion des Insulins kann bis zu 90 % sein.
  4. Der 10 s Sprint: je früher die Gegenregulation einsetzt, umso geringer ist der Abfall des Blutzuckers. Ein Stimulationsreiz für die Stresshormone ist ein 10 s Sprint mit maximaler Belastung vor der Sporteinheit.
  5. Nach einem Marathon oder einem Triathlon sind die Glukosespeicher völlig entleert. Um nächtliche Unterzuckerungen zu vermeiden, sollte vor dem Schlafengehen noch eine kohlenhydratreiche Spätmahlzeit eingenommen werden.

  6. Wir hoffen, dass wir mit diesen wenigen Tipps, bei einigen Sportlern zu mehr Spaß und Erfolg beigetragen haben. Alles Weitere ist im wesentlichen Training, gute Vorbereitung und individuelle Anpassung.

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