Diabetes und Krebs

Patienten mit Diabetes Typ 1 und Typ 2 haben eine erhöhte Sterblichkeit. Diese Sterblichkeit wird häufig in Verbindung mit dem erhöhten kardiovaskulären Risiko gebracht, d. h. dem Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Im Jahre 1996 war das Risiko für kardiovaskulären Tod für Patienten mit Diabetes um 2,7 % höher als für Patienten ohne Diabetes. Bis zum Jahre 2011 reduzierte sich dieser Unterschied auf noch lediglich 0,5 %. Der Grund ist die Prävention durch bessere medikamentöse Versorgung. Medizinische Therapien und Leitlinien haben sich als erfolgreich erwiesen, das erhöhte Risiko durch den kardiovaskulären Tod von Patienten mit Diabetes zu reduzieren. Parallel dazu sank auch die Übersterblichkeit von Diabetespatienten.

Aufgrund dieser Reduktion der Übersterblichkeit ist der kardiovaskuläre Tod nicht mehr die häufigste Todesursache bei Patienten mit Diabetes.

Die häufigste Todesursache von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ist Krebs. Daher ist Krebs die wichtigste Begleiterkrankung bei Diabetes mellitus. Kommen noch weitere Risikofaktoren wie Übergewicht und Alkoholkonsum hinzu, steigt das Risiko, an Krebs zu versterben, noch einmal deutlich an. Von 2001 bis 2018 sank in England das Risiko für kardiovaskulären Tod von 44% auf 24 %. Parallel dazu stieg das Risiko an Krebs zu versterben von 22% auf 28 %.

Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 haben ein 2-3-fach erhöhtes Risiko für Pankreaskrebs, ein 2-fach erhöhtes Risiko für Krebs der Leber und Gallengänge, ein um 20 % erhöhtes Risiko für Brustkrebs, ein 2-fach erhöhtes Risiko für ein Endometriumkarzinom und ein um 50 % erhöhtes Risiko für Dickdarm- und Rektalkarzinome. (Tsilidis KK et al: Type 2 diabetes and cancer: Umbrella review of metaanalyses of observational studies. BMJ 350:g7607,2015)

Die wichtigste Maßnahme ist die Vorsorge: Alle Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sollten regelmäßig an Krebsvorsorgeprogrammen teilnehmen und mindestens jährlich bei ihrem Hausarzt oder Diabetologen untersucht werden.

Metformin und Krebs



In vielen Studien hat sich gezeigt, dass Patienten, die Metformin einnehmen, seltener an Krebs erkranken, im Vergleich zu Patienten, die mit anderen Antidiabetika behandelt werden.

Aufgrund dieser Beobachtungen wurden und werden auch Studien an Patienten ohne Diabetes durchgeführt, um festzustellen, ob Metformin das Risiko für Krebs vermindert. Das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken, wird durch die Metformineinnahme reduziert. Bei vorhandenem Dickdarmkrebs ist eine zusätzliche Behandlung mit Metformin (adjuvante Therapie) von Vorteil. Weitere Karzinome, die bei einer Metforminbehandlung seltener auftreten, sind Karzinome der Leber, der Gallengänge und des Pankreas. Bei Brustkrebs und Prostatakarzinom ist die Sache nicht ganz eindeutig, die die Studien zeigen hier unterschiedliche Ergebnisse.

Der berühmte Altersforscher David Sinclair nimmt 1 g Metformin täglich. Er hat keinen Diabetes. Sollten wir nun alle Metformin zur Krebsprophylaxe nehmen? Diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Zurzeit werden Studien mit Probanden ohne Diabetes durchgeführt, um festzustellen, ob sich Metformin zur Prophylaxe von Krebs eignet. Anderseits ist Metformin preisgünstig und bei Beachtung der Kontraindikationen sind die Nebenwirkungen gering.

Wie kann Metformin den Krebs beeinflussen?



Wie Metformin zu einer Risikoreduktion für Krebs führt, ist noch nicht genau bekannt. Es gibt jedoch Hinweise, dass ein Eiweißkomplex eine wichtige Rolle in der Krebsentstehung spielt.

Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 haben erhöhte Insulinspiegel. Die Insulinrezeptoren auf der Zelloberfläche werden verstärkt aktiviert und es kommt in der Zelle zu einer Signalkette, die mTORC1 aktiviert. mTORC1 (mechanistic Target of Rapamycin Complx 1) ist ein Eiweißkomplex, der in jeder Säugetierzelle vorkommt und Wachstum, Energiehaushalt und Zellteilung reguliert. Wird mTORC1 in seiner Aktivität gehemmt, werden die Proliferation (Zellteilung) und das Zellwachstum reduziert.

Metformin erhöht die Insulinsensitivität und führt zu niedrigeren Insulinspiegeln. Der Insulinrezeptor wird weniger stimuliert und damit kommt es auch zu einer geringeren Stimulation von mTORC1. Metformin hemmt auch direkt mTORC1 und es hemmt AMPK. AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase) hemmt die Phosphorylierung und schaltet damit aufwändige Biosynthesen ab. AMPK stimuliert auch mTORC1. Da es durch Metformin gehemmt wird nimmt die Aktivität von mTORC1 ab. Nimmt die Aktivität von mTORC1 ab, wird die Zellteilung und Zellwachstum reduziert d. h. es entsteht weniger Krebs.

Diese Stoffwechselvorgänge in der Zelle werden zurzeit noch genau untersucht und es ist zu erwarten, dass es Medikamente geben wird, die noch unspezifischer die Zellproliferation hemmen als Metformin.

Da es noch ein weiter Weg ist, wirkungsvollere Medikamente zur Prävention der wesentlichen Todesursache beim Diabetes zu entwickeln, sollte Metformin die Basistherapie bei jedem Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 sein.