Stand der punktuellen Blutzuckermessung
Obwohl die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) besonders in den letzten 10-12 Jahren (seit 2013) eine deutliche Verbreitung gefunden hat – mit aktuell (März 2025) ca. 10,5 Millionen Anwendern weltweit – spielt die Selbstmessung des Blutzuckers (SMBG – Self Monitoring of Blood Glucose) nach wie vor eine große Rolle.Es ist sogar so, dass im Weltmaßstab selbst die punktuelle Selbstmessung des Blutzuckers nur von einem geringen Anteil der Patienten genutzt werden kann, die davon aber profitieren würden. SMBG gehört, trotz weltweit sinkender Umsatzzahlen (03/2025: 377 Mill. $US vs. 03/2018: 1.000 Mill. $US), nicht der Vergangenheit an.
Diese invasive Methode ist auf die Entnahme von kleinen Blutproben angewiesen, deren enthaltene Glukose mit Biokatalysatoren wie Glukoseoxidase (GOD) oder Glukosedehydrogenase (GDH) in Glukonolakton und Wasserstoffperoxid umgewandelt wird. In einer weiteren Reaktion wird entweder ein Farbstoff oxidiert und reflektometrisch ausgewertet oder der an einer Elektrode entstehende Stromfluss gemessen (amperiometrische Methode). Dabei hat sich die amperiometrische Methode durchgesetzt, bedingt auch dadurch, dass sie im Vergleich zur reflektometrischen Messung einfacher handbar und schneller, vor allem aber sauberer und dadurch wartungsarm ist.
Punktuelle Blutzuckermessung in der Diabetestherapie
Der wesentliche Vorteil der gesamten Methode der Selbstmessung des Blutzuckers war, dass die dabei verwendeten Messgeräte und Teststreifen in der Alltagsroutine eingesetzt werden können, die Patienten also in den verschiedensten Lebenssituationen auf einfache Weise ihren Blutzucker bestimmen können. Damit werden sie in die Lage versetzt jederzeit ihre aktuelle Stoffwechselsituation zu beurteilen, wenigstens punktuell.Neben der Selbstkontrolle des Blutzuckers bot sich damit gleichzeitig die Grundlage zu einer flexiblen Gestaltung der Insulintherapie an und so wandelte sich SMBG ab den 1990iger Jahren von der Therapiekontrolle zur Therapieunterstützung und stellte damit eine der herausragenden Innovationen in der Diabetologie dar. Die Blutglukosemessung wurde zu einer Säule für die Durchführung einer flexiblen, durch den Patienten selbst gemanagten Insulintherapie. Ohne diese Form der Therapieunterstützung wären eine flexible ICT mit Dosisanpassung oder eine Insulinpumpentherapie (CSII) nicht sicher durchführbar gewesen.
In der Folgezeit wurden die Blutentnahme durch Innovationen bei den Stechhilfen und Lanzetten wesentlich vereinfacht und schmerzvermindert. Wichtig für die Patienten waren, dass
- sich die zur Messung notwendigen Blutmengen bis unter 0,5 µl verringerte,
- die Messzeiten auf wenige Sekunden verkürzte (≤5s),
- äußere Einflüsse kompensiert wurden (Hämatokritabweichungen, Umgebungstemperatur, Sauerstoffpartialdruck usw.)
- generell die Handhabung stetig vereinfachte.
Entwicklung der punktuellen Blutzuckermessung weitgehend abgeschlossen
Alles zusammen verringerte deutlich Fehlmessungen. Grundsätzlich kann die Entwicklung von SMBG heute als weitgehend abgeschlossen betrachtet werden, sowohl was die Blutzuckermessgeräte, als auch die Teststreifen betrifft. Die Methode entspricht technisch dem denkbar möglichen Standard.Außerhalb der Messmethoden gibt es aber immer noch Verbesserungen in Bezug auf die Auswertung und Beurteilung der Daten. Dazu gehört die Anbindung der Messsysteme an Softwarelösungen, insbesondere solche, die über Smartphone-Apps laufen und so eine für die therapeutische Beurteilung und Therapiesteuerung unmittelbare und einfache Anwendung bieten. Aktuelle Beispiele sind die Verbindung von Smartpens mit Apps, wie zum Beispiel NovoPen6 und NovoPen Echo (beide Novo Nordisk) oder InPen (Medtronic).
Bedeutung des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM)
Bei der punktuellen Blutzuckermessung wird nur der augenblickliche Glukosewert sichtbar. Woher dieser Wert kommt und wohin er sich entwickelt, bleibt dem Betrachter weitgehend verborgen. Punktuelle Messungen lassen sich auch nicht beliebig oft am Tag durchführen. Verbindet man diese zu einer Glukosekurve, so bleiben trotzdem viele Fragen offen. So können zum Beispiel erhöhte Glukosewerte ihre Ursache in einer nicht adäquat mit Insulin abgedeckten Mahlzeit haben oder die Folge einer unbemerkten Hypoglykämie mit Gegenregulation sein. Eine kontinuierliche Glukosemessung zu haben, die eine nahezu lückenlose Glukosekurve darstellt, gehörte deshalb früher zu den wichtigsten Forderungen von Menschen mit Diabetes, aber auch vom medizinischen Personal. Mit der Markteinführung von CGM 1999, zunächst als verblindetes CGM-System – die Glukosedaten wurden erst nach Ablegen des Glukosesensors und dem Herunterladen der Daten in eine Software sichtbar, dienten folglich nur diagnostischen Zwecken – und ab 2004 mit Anzeige der aktuellen Glukosewerte entwickelte sich dieses zu einem Eckpfeiler des Diabetesmanagements. Aktuell tragen weltweit ca. 10,5 Millionen Patienten ein CGM. Der Gesamtumsatz betrug 2024 ca. 12 Milliarden $US.Einsatzmöglichkeiten des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM)
Die aktuellen CGM-Systeme sind überwiegend minimal-invasiv. Das bedeutet, sie sind als elektrochemische Nadelsensoren aufgebaut – bestehen praktisch aus einer Enzymelektrode mit Glukoseoxidase, die den bei der chemischen Reaktion von Glukose entstehenden Elektronenstrom misst. Diese wird durch den Anwender selbständig in den interstitiellen Fluss des Unterhautfettgewebes eingeführt. Die Nutzungsdauer der transkutanen CGM-Sensoren liegt zwischen 7 bis 15 Tagen. Danach sind diese zu erneuern. Üblicherweise übermitteln die Sensoren alle 1 bis 5 Minuten einen über diesen Zeitraum gemittelten Durchschnittswert an das jeweilige Empfangsgerät, häufig eine App auf einem Smartphone. Damit kann von einer Anwendung in Echtzeit gesprochen werden (rtCGM; Real-Time CGM).Bei der Nutzung der CGM-Systeme sind zwei Anwendungen zu unterscheiden:
1. der Einsatz als Stand-Alone-CGM-System unter beliebigen therapeutischen Optionen, ausgenommen der Therapie mit Insulinpumpen,
- also unter der intensivierten Insulintherapie (ICT),
- der basal unterstützten oralen Therapie (BOT)
- oder auch unter nicht-insulinären Behandlungsformen bzw. zur Therapieunterstützung bei einer Insulintherapie (Sensorunterstützte Therapie).
Aktuelle CGM-Systeme auf dem Markt
Aktuell befinden sich vor allem die CGM-Systeme Dexcom G6 und G7 der Firma Dexcom, Guardian 4 und Simplera Sync der Firma Medtronic und FreeStyle Libre 3 der Firma Abbott im Einsatz. Alle Glukosesensoren dieser Systeme sind werkskalibriert. Im Falle der Sensoren von Abbott bedeutet dies, dass keine manuelle Kalibrierung auf Grundlage anderer Messwerte möglich ist, gewonnen z.B. mit punktueller Blutzuckermessung. Bei den neuen CGM-Systemen von Dexcom und Medtronic muss ebenfalls nicht kalibriert werden, eine manuelle Kalibrierung ist aber durchführbar.Es existieren auch noch weitere, ähnliche, auf der enzymatischen Methode basierende Glukosesensoren, so z.B. das System TouchCare Nano der Firma Medtrum. Ein besonders erwähnenswertes System ist das Accu-Chek SmartGuide CGM der Firma Roche. Seine Einlaufzeit beträgt eine Stunde, es muss mit punktueller Blutzuckermessung am ersten Tag der Nutzung kalibriert werden und lässt sich 14 Tage verwenden. Das Wesentliche dieses CGM ist, dass es aufgrund seiner gespeicherten Werte Glukosewerte voraussagen und damit dem Anwender wichtige Hinweise auf die Entwicklung der Glykämie geben kann. Dabei gibt es drei Optionen: die Voraussage des Glukoseprofils über zwei Stunden, eine Voraussage niedriger Glukosewerte über 30 Minuten und eine Voraussage niedriger Glukosewerte in der Nacht. Damit bietet dieses CGM-Systems eine interessante Innovation.
Eversense: implantierbares Langzeit-CGM
Ein weiteres CGM-System ist das Eversense der Firma Senseonics (Abb. DT4), das in Deutschland von Ascensia vertrieben wird. Hier wird ein kleiner Zylinder in der Größe eines halben Streichholzes unter örtliche Betäubung in das Unterhautfettgewebe implantiert und kann dort zukünftig bis zu einem Jahr die Glukosekonzentration messen (aktuell zugelassen ist das Eversense E3 für 180 Tage). Zur Minimierung von Entzündungsreaktionen ist auf der Außenhaut des Zylinders ein Silikonring angebracht, der eine geringe Menge Dexamethasonacetat enthält.Die Messung beruht nicht auf der elektrochemischen Umwandlung von Glukose, wie bei allen anderen aktuell im Einsatz befindlichen CGM-Sensoren, sondern auf der Bestimmung der Glukosekonzentration mittels Fluoreszenz. Fluoreszenz entsteht, wenn die Atome bzw. Moleküle eines Stoffes per Energiezufuhr angeregt werden, z.B. durch Bestrahlung mit Licht. Nach kurzer Zeit (wenige Nanosekunden) wird die Anregungsenergie wieder abgegeben, zum Beispiel in Form von elektromagnetischen Wellen wie Licht. Die Wellenlänge der abgegebenen Strahlung hängt von der Lage der Energieniveaus in den Atomen bzw. Molekülen ab, d.h. sie stellen eine Art Fingerabdruck dar. Diese Strahlung muss mit einem Strahlungssensor analysiert werden, im Fall von Licht z.B. mit einem Fotodetektor (Fototransistor o.ä.). Die Intensität des Fluoreszenzsignals gibt Auskunft über die Konzentration der atomaren Bestandteile. Die Umsetzung dieser Messmethode erfolgt, indem die äußere Hülle des Glukosesensors aus einem Polymerstoff besteht, der ein Glukose-bindendes Molekül enthält, beim Eversense ist das ein Boronat. Diese äußere Zylinderwand verändert bei der Beladung mit Glukose ihre optischen Eigenschaften, was heißt, dass die Intensität der Fluoreszenzstrahlung von der Konzentration der gebundenen Glukose abhängt. Um dies zu messen, wurde in den Zylinder eine Leuchtdiode (LED) eingebaut, welche ultraviolettes Licht emittiert. Trifft das Licht auf das Boronat, so fluoresziert dieses blau-violett. Die fluoreszierende Strahlung wird mit einer ebenfalls in dem Zylinder befindlichen Fotodiode gemessen. Das Signal wird schließlich aus dem Gewebe heraus auf den auf die Haut aufgeklebten Transmitter übertragen und von diesem per Bluetooth an ein Smartphone gesendet.
Abb.DT4: Darstellung und prinzipieller Aufbau des implantierbaren Glukosesensors Eversense. Oben ist der Zylinder zu sehen, mit und ohne Glukosebeladung. Die Zylinderhülle verändert unter dem Einfluss von Glukose ihre optischen Eigenschaften. Das Fluoreszenzsignal (nach Anregung der Matrix durch eine LED), welches durch den im Inneren befindlichen optische Sensor gemessen wird, sendet der Sensor auf den Transmitter, aufgeklebt auf die Haut.
Dieses CGM-System ist nicht sehr weit verbreitet, was eher mit den Umständen der Nutzung zusammenhängt. Immerhin weist der Sensor eine gute Messgenauigkeit auf. Eine Ursache für die geringe Nutzung ist die Implantation, die aber schnell und unkompliziert realisierbar ist. Allerdings muss der Sensor nach Ablauf der Lebensdauer wieder explantiert werden. Ein weiterer Grund für die geringe Verbreitung ist, dass dieses CGM nur als Stand-Alone-System angewendet werden kann. Eine für die Zukunft geplante Anbindung an diverse Insulinpumpen, auch die Verlängerung der Tragedauer werden die Akzeptanz dieses CGM sicher erhöhen. Auch dürfte dann die beim Eversense E3 noch täglich einmal notwendige Kalibrierung entfallen.
Wichtig ist noch, dass der Sensor das Signal innerhalb des Unterhautfettgewebes erhält. Anders als bei nicht-invasiven Glukosemessmethoden werden das anregende Licht von der Hautoberfläche und das entstehende Fluoreszenzsignal in der Tiefe der Hautschicht nicht durch das Gewebe absorbiert und gestreut. Alles findet in dem Zylinder statt und kommt als Rohsignal aus dem Zylinder zum Transmitter.