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Neue nebenwirkungsarme Diabetes-Tablette kommt

Ende September 2007 erhielt der zweite Vertreter einer neuen Klasse von Antidiabetika die europaweite Zulassung: Vildagliptin (Galvus®). Die Gliptine steigern bedarfsgerecht die Insulinausschüttung nach Nahrungsaufnahme. Es tut sich was bei den oralen Antidiabetika. Und das ist überfällig: Zwar senken alle zugelassenen Mittel das HbA1c – das verzuckerte Hämoglobin als Maß für die Stoffwechseleinstellung zumindest zu Beginn der Behandlung in Größenordnungen von 0,5 bis 1,5%. Aber bei dem einen Mittel stellen sich leicht Unterzuckerungen ein, bei dem nächsten wird es vielen Patienten übel, wieder bei anderen nehmen die gewichtsgeplagten Diabetiker weiter zu oder ihre Knochendichte nimmt ab oder sie bekommen Blähungen oder … Die Liste der Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten ist lang. Verträglichkeit und Patientenfreundlichkeit entscheiden jedoch mit über Therapieerfolg. In dieser Hinsicht bahnt sich mit den Gliptinen, deren zweiter Vertreter Vildagliptin (Galvus® Hersteller Novartis) am 26. September 2007 von der Europäischen Kommission zugelassen wurde, bei der Tablettenbehandlung des Typ-2-Diabetes ein Fortschritt an. Tauziehen um den deutschen Markt Sitagliptin ist laut Europäischer Zulassung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle in Kombination entweder mit Metformin, einem Glitazon oder mit einem Sulfonylharnstoff zugelassen, jeweils unter der Voraussetzung, dass Diät und Bewegung und das erste Medikament zusammen den Blutzucker nicht ausreichend senken. Bislang hat die Herstellerfirma Galvus® aber noch nicht auf den deutschen Markt gebracht: Man möchte noch neue Daten in die Zulassung einbringen, wonach die Gabe von 2 x 50 mg Vildagliptin statt wie ursprünglich geplant 1 x 100 mg zur Regel würde. Die höhere Dosierung führe in seltenen Fällen zu einer reversiblen Erhöhung von Leberenzymen, wohingegen die zweimal tägliche Dosierung hier ein besseres Nutzen Risiko-Verhältnis erziele, so das Unternehmen Anfang November 2007. Umfangreiche Studien Bis September 2007 haben nach Angaben der Herstellerfirma mehr als 11.800 Patienten an abgeschlossenen Studien mit Vildagliptin teilgenommen, davon wurden mehr als 8.700 Patienten mit dem Medikament behandelt. Etwa 2000 Patienten haben das Medikament nun über ein Jahr eingenommen, etwa 550 Patienten zwei Jahre lang. Beim Studienprogramm wurde auf eine heterogene Patientenpopulation geachtet, die auch ethnische Gruppen mit erhöhtem Risiko, Patienten mit einem hohen HbA1c-Ausgangswert sowie ältere und übergewichtige Patienten einschloss. Eine Fünfjahres-Langzeitstudie sei auf dem Weg, so ein Unternehmenssprecher auf der Einführungs-Pressekonferenz. Was bewirkt Vildagliptin? Beim Einsatz von Vildagliptin sind folgende Effekte zu erwarten Klinische Studien belegen die Wirksamkeit und Sicherheit 1. Vildagliptin in Monotherapie im Vergleich zu Plazebo Das Ausmaß der Senkung des Langzeit-Blutzuckers (HbA1c, soll unterhalb 7% liegen) hängt vom Ausgangswert ab und erreicht zwischen 0,6 und 1,5%: Täglich 100 mg Vildagliptin führte zu einer signifikanten Senkungen des HbA1c-Wertes von 0,7% bis 0,9%, im Vergleich zu 0,3% bei Plazebo. Dieser positive Effekt fiel bei Gruppen, deren Behandlung als schwierig gilt, höher aus und erreichte z.B. bei älteren Patienten über 1% und bei schlecht eingestellten Patienten mit einem hohen HbA1c-Wert (>9%) bis zu 1,7%. Vergleich Sitagliptin: In einer 12-wöchigen Studie senkte die alleinige Behandlung mit Sitagliptin den HbA1c bei einem Ausgangswert von ca. 8% um absolut 0,6%. In einer 24-wöchigen Studie führte die Monotherapie zu einer Minderung des HbA1c um absolut 0,79%, hingegen in der Gruppe der Patienten mit einer besonders ungünstigen Stoffwechsellage (HbA1c über 9%) um 1,5%. 2. Kopf an Kopf mit anderen Antidiabetika: 2.1. Vildagliptin gegenüber Rosiglitazon In einer 24-wöchigen Vergleichsstudie mit unbehandelten Typ-2-Diabetikern mit einem HbA1c bis zu 11% wurde die tägliche Dosis von 100 mg Vildagliptin verglichen mit einer hohen Dosis (8 mg) Rosiglitazon. Beide Medikationen senkten das verzuckerte Hämoglobin: Vildagliptin um 1,1%, Rosiglitazon um 1,3%. Die Studie bewies die “Nicht-Unterlegenheit” des Gliptins. 2.2. Vildagliptin gegenüber Pioglitazon In einer vierarmigen Studie wurde 100 mg Vilagliptin verglichen mit 30 mg Pioglitazon und der Kombination Vildaliptin plus Pioglitazon in niedriger (50 +15 mg) und höherer Dosierung (100+30 mg). Der Ausgangs-HbA1c-Wert lag zwischen 8,6 und 8,8%. Nach 24 Wochen lag die HbA1c-Senkung unter Pioglitazon bei 1,4%, unter Vildagliptin bei 1,1%. In Kombinationstherapie wurden mit der niedrigeren Dosierung -1,7% und in der höheren -1,9% erreicht. In beiden Monotherapiearmen nahmen die Patinetn leicht zu, unter Pioglitazon stärker (Rosenstock et al. Diabetes Obes Metab 2007). 2.3. Vildagliptin gegenüber Metformin Im direkten Vergleich zu Metformin, dem meistverwendeten oralen First-Line-Medikament zur Behandlung von Diabetes, fällt die Wirkung von Vildagliptin schwächer aus: Mit 100 mg Vildagliptin pro Tag wurde eine Senkung gegenüber dem HbA1c-Ausgangswert um 1,0%, mit mindestens 2000 mg Metformin um 1,4% erzielt. Die Wirkung hielt zwei Jahre vor. Patienten unter Vildagliptin litten aber weniger unter Magen-Darm-Nebenwirkungen wie Übelkeit (3,3% vs. 10,3%) und Diarrhöe (6,0% vs. 26,2%). 3. Kombinationstherapien 3.1. Vildagliptin plus Metformin: Die zusätzliche Gabe von 100 mg Vildagliptin zur Metformin-Therapie führte nach 24 Wochen im Vergleich zu Plazebo zu einer weiteren Senkung des HbA1c-Wertes um 1,1% (Bosi et al. Diabetes Care 2007). Gewichtszunahme wurde nicht beobachtet, Unterzuckerungen blieben auf Plazeboniveau (Galvus® Packungsbeilage). 3.2. Vildagliptin plus Sulfonylharnstoff Kombinierte man Vildagliptin mit Glimepirid (einem modernen Sulfonylharnstoff), senkte sich das HbA1c im Vergleich zur Fortsetzung der Monotherapie mit Glimepirid um zusätzliche 0,7% (Galvus® Packungsbeilage). 3.3. Vildagliptin plus Pioglitazon Bei Patienten, die unzureichend auf Pioglitazon (durchschnittliches HbA1c in Höhe von 8,7%) eingestellt waren, wurde durch Kombination mit 100 mg Vildagliptin eine weitere Senkung des HbA1c-Wertes um 1% erzielt. Im Gegensatz dazu stellte sich bei Patienten, denen ein Glitazon zusammen mit Plazebo verabreicht wurde, eine Senkung von 0,3% ein. Kombinierte man von Beginn an Vildagliptin mit Pioglitazon, konnte bei Patienten mit einem HbA1c-Wert über 9% eine Senkung von 2,8% beobachtet werden. Zwei Drittel der Patienten erreichten einen HbA1c-Zielwert von weniger als 7% – im Vergleich zu 43% bei Patienten, die ausschließlich mit einem Glitazon behandelt wurden (Galvus® Packungsbeilage). 3.4. Vildagliptin plus Insulin Obwohl die Ergänzung einer bereits bestehenden Insulintherapie durch Vildagliptin zu einer stärkeren Senkung der HbA1c-Werte führte als durch ein Scheinmedikament, war die Größe dieses Effektes zu gering, um für Patienten als bedeutsam erachtet zu werden. Für wen eignet sich Vildagliptin? Nach den Worten des Diabetologen Dr. Gerhard Klausmann, Aschaffenburg, sollte ein Medikament wie Vildagliptin “so früh wie möglich” eingesetzt werden, um sein Potenzial auszureizen, d.h. wenn mit den bisherigen etablierten Monotherapien – in erster Linie Metformin – eine Normalisierung des HbA1c nicht erreicht wird. Weniger geeignet sei Vildagliptin bei jahrelang mit Sulfonylharnstoffen behandelten Diabetikern, deren Betazellfunktion weitgehend erschöpft sei. Denn Gliptine verstärken lediglich den noch vorhandenen Effekt der Inkretin-Darmhormone, der bei Typ-2-Diabetikern deutlich reduziert sein kann. Die Bedeutung des frühzeitigen Einsatzes erkläre sich durch den wahrscheinlich günstigen Einfluss des Gliptins auf den Erhalt der Betazellen der Bauchspeicheldrüse (die Betazellmasse erhöht sich im Tierversuch) und den reduzierten “Betazell-Stress”, weil diese Insulin-produzierenden Zellen unter dem Gliptin nicht permanent, sondern bedarfsgerecht angeregt werden, so Klausmann. Der Experte sieht in Vildagliptin wegen der Gewichtsneutralität und des günstigen Nebenwirkungsprofils den idealen Partner für Metformin. Metformin gilt nach wie vor als Standardmedikation.
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