Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes)

Der Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) ist eine Zuckerstoffwechselstörung, die erstmalig in der Schwangerschaft mit einem oralen Glucosebelastungstest diagnostiziert wurde. Dieser Test ist fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen der Schwangerschaft. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.

Häufigkeit des Schwangerschaftsdiabetes

Der Schwangerschaftsdiabetes ist in Deutschland mit einer Häufigkeit von etwas weniger als 10% eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen und wird in vielen Fällen zu spät oder überhaupt nicht diagnostiziert.

Test auf Schwangerschaftsdiabetes im Mutterpass vorgesehen

Der Test soll bei jeder schwangeren Patientin in der 24. – 28. SSW durchgeführt werden. Bei Risikopatientinnen sollte er bereits vor der 24. SSW erfolgen. Risikopatientinnen sind

  • Frauen mit einem Alter über 45 Jahren,
  • mit einem BMI über 30 kg/m²,
  • wenn Eltern oder Geschwister mit Diabetes in der Familie der schwangeren Frau vorkommen,
  • wenn bereits ein zu schweres Kind mit einem Gewicht über 4500 g geboren wurde,
  • wenn ein Bluthochdruck vorliegt oder wenn früher bereits grenzwertig erhöhte Blutzuckerwerte vorlagen,
  • oder wenn bereits Gefäßerkrankungen wie koronare Herzerkrankung, periphere Durchblutungsstörung oder Störung der inneren Durchblutung vorliegen.
Diese Risikopatientinnen sollten bereits vor der 24. SSW auf einen Gestationsdiabetes hin untersucht werden.

Die Diagnose muss nach den neuen Leitlinien anhand venöser Plasmawertbestimmungen erfolgen. Die Blutzuckermessung muss mit einer qualitätsgesicherten Blutzuckermessung erfolgen. Die Bestimmung der Blutzuckerwerte mittels kapillärer Blutwerte aus der Fingerbeere und Messung mit einem Blutzuckerteststreifenmessgerät ist wegen fehlender Genauigkeit nicht mehr zulässig.

Wie läuft der Test auf Schwangerschaftsdiabetes?

Zur Durchführung eines verwertbaren Zuckerbelastungstestes (OGTT) sind folgende Vorbedingungen zwingend einzuhalten:

  • Durchführung morgens
  • nach einer mindestens 8-stündigen Nahrungspause
  • mindestens drei Tage vor dem Test keine Einschränkung der Kohlenhydrataufnahme
  • Testlösung (75 g Glucose in 300 ml Wasser) wird innerhalb von 3 – 5 Min. getrunken
  • Schwangere soll während des Testes in der Praxis sitzen
  • Blutglucosemessung muss mit einer qualitätsgesicherten Methode durchgeführt werden
  • Handmessgeräte für Patientenselbstkontrolle sind nicht geeignet
Untersucht wird mit einem oralen Glucosebelastungstest. Hier trinkt eine nüchterne Patientin 75 g Glucose gelöst in 200 ml Wasser morgens in nüchternem Zustand. Blutzuckerwerte werden direkt vor dem Trinken dieser Lösung, also nüchtern, und dann jeweils 1 und 2 Std. danach gemessen. Üblicherweise wird eine Venenverweilkanüle aus Plastik (Braunüle) gelegt, durch die dann diese drei Blutzuckerwerte als venöses Blut entnommen werden und mittels eines aufwändigen qualitätsgesicherten Blutzuckermessgerätes direkt bestimmt werden können.

Wann liegt ein Schwangerschaftsdiabetes vor?

Die Diagnose eines Gestationsdiabetes ist zu stellen, wenn mindestens einer der drei gemessenen Werte über dem Normwert liegt. Als Normwert wird nach der neuen Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft von 2011 ein Nüchternwert von mehr oder gleich 92 mg/dl (5,1 mmol/l), ein Einstunden-Nachbelastungswert von mehr oder gleich 180 mg/dl (10 mmol/l) und ein Zweistunden-Nachbelastungswert von mehr oder gleich 153 mg/dl (8,5 mmol/l)  angegeben.

Ist der Blutzuckerwert nüchtern bereits über 126 mg/dl (7 mmol/l), liegt nicht ein Gestationsdiabetes sondern ein in der Schwangerschaft neu aufgetretener Diabetes vor.

Risiko für Mutter und Kind erhöht

Das Risiko für das ungeborene Kind bei einem Gestationsdiabetes der Mutter ist in folgenden Punkten deutlich erhöht:

  • Erhöhtes Geburtsgewicht,
  • erhöhte Frühgeburtsrate,
  • erhöhte Notwendigkeit, per Kaiserschnitt entbunden zu werden,
  • Geburtstraumen wie Schulterverrenkung (Schulterdystokie) oder anderes,
  • Hyperbilirubinämie (zuviel gelber Blutfarbstoff durch unzureichende Leberfunktion) und die Notwendigkeit, nach Geburt auf Intensivstation behandelt zu werden.
  • Ebenso erhöhtes Risiko einer Unterzuckerung nach Geburt und den hieraus potenziell möglichen dauerhaften Hirnschäden.
Frauen mit Gestationsdiabetes haben ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung). Langfristig haben sie ein ca. 50% erhöhtes Risiko, einen Typ 2 Diabetes zu entwickeln, wenn sie in der Schwangerschaft einen Schwangerschaftsdiabetes hatten.

Die Therapie des Schwangerschaftsdiabetes

Wenn ein Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert wurde, ist umgehend eine Therapie in einer Diabetologischen Schwerpunktpraxis oder einer auf Behandlung von schwangeren Diabetikerinnen spezialisierten Klinik mit diabetologischer Abteilung erforderlich.

An erster Stelle steht die Erstellung eines individuellen Ernährungsplanes durch die Diabetesberaterin sowie das Erlernen der Blutzuckerselbstkontrolle durch die Patientin.

Regelmäßige Blutzuckerselbstkontrolle und die Dokumentation der gemessenen Werte in einem geeigneten Tagebuch sind die Basis für eine gute Stoffwechseleinstellung in der Schwangerschaft. Eine ausführliche individuelle Schulung in Einzelunterricht durch die Diabetesberaterin ermöglicht es der schwangeren Patientin, frühzeitig ihren Lebensstil an die Erfordernisse des Gestationsdiabetes anzupassen – die Voraussetzung für einen möglichst frühzeitigen therapeutischen Erfolg.

Sollten trotz aller Maßnahmen die Blutzuckerwerte nicht im Zielbereich liegen, ist eine Insulintherapie notwendig. Eine Therapie mit Tabletten ist in der Schwangerschaft nicht zulässig.

Blutzucker-Zielwerte bei Schwangerschaftsdiabetes

Zielwerte für eine gute Einstellung des Gestationsdiabetes sind:

  • Nüchternzuckerwerte und Blutzuckerwerte vor dem Essen zwischen 65 und 95 mg/dl (3,6 mg/dl und 5,3 mmol/l),
  • Blutzuckerwerte 1 Std. nach dem Essen unter 140 mg/dl (7,7 mmol/l) und 2 Std. nach dem Essen unter 120 mg/dl (6,6 mmol/l)
Es gibt keinen Grenzwert, ab dem das Risiko für das Kind bei Gestationsdiabetes erhöht ist, sondern es besteht eine kontinuierliche Beziehung zwischen Blutzuckerhöhe und dem Risiko für eine Makrosomie (zu großes und zu schweres Kind) oder eine Hydramnion (zu viel Fruchtwasser).

Deshalb sind die Therapieziele nicht starr als die oben beschriebenen Werte anzusehen, sondern müssen zusätzlich individuell den jeweiligen Gegebenheiten der einzelnen Schwangerschaft angepasst werden. Hierzu ist profunde Sachkenntnis von ausgewiesenen Diabetesexperten (Diabetologen) erforderlich.

Der Bauchumfang des Kindes zählt

Als wichtigster Parameter dient der im Ultraschall gemessene Bauchumfang des ungeborenen Kindes. Dieser soll bei Schwangerschaftsdiabetes ab der 24. SSW alle zwei bis drei Wochen erfolgen. Dann wird unterschieden, ob er unter der 10. Perzentile oder über der 75. Perzentile liegt. So gelten bei den Kindern unter der 10. Perzentile liberalere Ziele, nämlich Nüchternblutzucker von unter 105 mg/dl (5,8 mmol/l) und 1 Std. postprandialer Blutzucker unter 160 mg/dl (8,9 mmol/l), für die Kinder im mittleren Bereich zwischen der 10. und 75. Perzentile gelten die oben erwähnten Werte von nüchtern unter 95 und 1 Std. postprandial unter 140 mg/dl (7,8 mol/l), für Kinder über der 75. Perzentile gilt ein Nüchternzucker von unter 85 mg/dl (4,7 mmol/l) und ein 1-Std.-postprandialer Wert von unter 120 mg/dl (6,6 mmol/l) als Therapieziel.

Insulin bei Schwangerschaftsdiabetes ist gut

Eine Insulintherapie ist in der Schwangerschaft völlig gefahrlos, da Insulin die Gebärmutterschranke nicht überschreitet und durch eine Senkung des mütterlichen Blutzuckers die Zuckerbelastung beim Kind spürbar reduziert, da dann weniger Glucose über die Gebärmutterschranke zum Kind überwandert.

Üblicherweise wird Altinsulin und normales Verzögerungsinsulin (NPH-Insulin) eingesetzt, in Ausnahmefällen können auch die schnell wirksamen Insulinanaloga Insulinaspart (NovoRapid) oder Lispro (Humalog) eingesetzt werden. Lang wirksame Insulinanaloga sollen nach der aktuellen Leitlinie nicht zum Einsatz kommen  (Lantus und Levemir).

Ärzte arbeiten zusammen

In der Therapie ist eine enge Zusammenarbeit zwischen dem betreuenden Diabetologen und dem betreuenden Frauenarzt zwingend erforderlich, da für die Therapiesteuerung eine Abgleichung der selbst gemessenen Blutzuckerwerte der Patientin und den Wachstumsdaten des Kindes erforderlich ist.

Keine Gewichtsabnahme in der Schwangerschaft

Eine Gewichtsabnahme der Schwangeren sollte auf jeden Fall vermieden werden. Schwangere dürfen in der Schwangerschaft zwischen 11,5 und 16 kg zunehmen. Frauen mit einem BMI von 18,5 oder weniger vor Empfängnis sollten 12,5 bis 18 kg zunehmen. Leicht übergewichtige Frauen mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 sollten zwischen 7 und 11,5 kg zunehmen. Stark übergewichtige Frauen mit einem BMI über 30 kg/m² sollten in der Schwangerschaft lediglich 5 bis 9 kg zunehmen, um einen optimalen Verlauf für das Kind zu erreichen. Um dieses Punkte gut zu überwachen, sollte jedere Schwangere selbst eine Gewichtskurve führen.

Nach der Entbindung: Neuer Test auf Diabetes

6 – 12 Wochen nach Entbindung wird ein erneuter Zuckerbelastungstest empfohlen, um das Risiko für die Mutter, im weiteren Verlauf einen Diabetes zu entwickeln, genauer abschätzen zu können. Der Grund Auch wenn der Schwangerschaftsdiabetes meist nach der Entbindung verschwindet, läuft die Hälfte der Frauen läuft Gefahr, innerhalb von zehn Jahren einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Am Helmholtz Zentrum München haben Wissenschaftler ein Punktesystem entwickelt, das Ärzten bei der Voraussage hilft, ob eine Frau mit Gestationsdiabetes später einen Typ-2-Diabetes bekommen wird. Der genaue Punktestand errechnet sich wie folgt:

5 x BMI (in der frühen Schwangerschaft) + 132 (falls der Schwangerschaftsdiabetes mit Insulin behandelt wurde) + 44 (bei familiärer Diabetesveranlagung der Mutter) – 35 (falls die Mutter ihr Kind gestillt hat).

Als niedrig gilt ein Wert von kleiner/gleich 140 und bedeutet rechnerisch ein Risiko von ca. 11%, innerhalb von 5 Jahren postpartum zu erkranken. Ein mittlerer Wert liegt zwischen 141 und 220 und das Risiko liegt bei etwa 29%. Erhöhte Werte (221-300) zeigen ein Risiko von 64 Prozent an und sehr hohe Werte (300 und darüber) bedeuten ein Risiko von etwa 80 %. Stichwörter:

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