Erhöhtes Risiko

Aktuelle Studien deuten möglicherweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Lantus hin

DDG und diabetesDE fordern sorgfältige Analyse neuer Studienergebnisse Lang wirksame Insulinanaloga sind bislang Teil des Therapieangebotes für Menschen mit Diabetes Typ 2. In 2 von 4 am 26. Juni 2009 veröffentlichten Studien zeigt sich bei Menschen mit Typ 2 Diabetes ein erhöhtes Krebsrisiko unter der ausschließlichen Gabe des lang wirksamen Analoginsulins Glargin (Lantus®). In 2 weiteren Studien wurden diese Zusammenhänge jedoch nicht bestätigt. Wie die European Association for Study of Diabetes (EASD) fordern auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und diabetesDE dringend weitere Analysen, damit ein möglicher Zusammenhang zwischen lang wirksamen Analoginsulinen und erhöhtem Krebsentrisiko aufgeklärt werden kann. Menschen mit Typ 2 Diabetes sollten jedoch auf keinen Fall ihre Insulingaben verändern, sondern das Gespräch mit ihrem Arzt suchen. Typ 2 Diabetiker haben bekanntlich ein erhöhtes Risiko, an Brust-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken. Übergewicht und Bewegungsmangel fördern nicht nur die Entstehung von Diabetes Typ 2, sondern sie erhöhen auch das Risiko verschiedener Krebsarten. Studien aus Deutschland, Schweden, Schottland und England haben jetzt untersucht, ob die Gabe unterschiedlicher Insuline das Krebsrisiko erhöhen könnte. Ingesamt wurden 301.136 Menschen mit Typ 2 Diabetes beobachtet. 34.392 von ihnen erhielten ausschließlich das langwirksame Analoginsulin Lantus. In 3 der 4 Studien wurde insbesondere die Entstehung von Brust-, Darm-, Prostata- und Bauspeicheldrüsenkrebs untersucht. Allen 4 Studien zeigten keine erhöhte Krebsgefahr durch Humaninsulin. Anders ist es bei dem lang wirksamen Analoginsulin Glargin: In 2 der Studien zeigte sich bei den Patienten, die ausschließlich mit Lantus behandelt wurden, ein erhöhtes Krebsrisiko. Aus den Daten der deutschen Studie errechnet sich ein Erkrankungsrisiko von einem Patienten von 100 pro Jahr Glargintherapie mehr an einem Krebs.* In der schwedischen Studie entwickelte eine Frau von 1000 mehr einen Brustkrebs als in Vergleichsgruppen. * Welche Ergebnisse zeigten sich in der deutschen Studie? Sowohl bei Humaninsulin als auch bei den Analoga war die Insulindosis mit dem Krebsrisiko assoziiert. Dieser Befund ist nicht unerwartet, da Insulinresistenz mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht; ein kausaler Zusammenhang (Insulin verursacht Krebs) lässt sich dadurch aber nicht belegen. Da die mittlere Glargin-Dosierung niedriger als die von Humaninsulin war, war die Häufigkeit der Krebserkrankungen in der Lantus-Gruppe sogar niedriger als in der Humaninsulin-Gruppe. Wenn allerdings für die verwendete Dosis und weitere Interaktionen korrigiert wurde, ergab sich für die Glargin-Gruppe verglichen mit der Humaninsulin-Gruppe ein um den Faktor 1,19 (1,09-1,29) erhöhtes Risiko. Dieses errechnete relative Risiko zum Humaninsulin stieg mit den Dosierungen an: 1,09 (1,0-1,19) bei 10IU, 1,19 (1,1-1,30) bei 30 IU und 1,31 (1,20-1,42) bei 50 IU. Für Insulin Aspart und Lispro fand sich bei dieser Berechnung kein erhöhtes Risiko. Warum ist die Studie umstritten? Ein erhöhtes Risiko errechnete sich erst nach statistischer Korrektur für die Insulindosis und auch nur dann, wenn Lantus das einzige verschriebene Insulin war; derartige Korrekturen können falsch-positive Ergebnisse liefern. Ein grundsätzliches Problem des Studienaufbaus ist, dass er keine Aussagen zur Kausalität zulässt. Das Krebsrisiko kann durchaus durch einen anderen Faktor erhöht sein, der wieder mit der Insulin-Glargin-Dosis assoziiert ist. Für diese Interpretation spricht die kurze Expositionszeit (1,3 Jahre!), denn es ist biologisch wenig plausibel, dass das Analogon innerhalb dieser kurzen Zeit Tumore verursacht. Die retrospektive Analyse birgt zudem die Gefahr des so genannten Allokations-Bias, indem Ärzte kränkeren Patienten häufiger Lantus verschrieben haben könnten, und des Survival bias, indem Patienten durch das Medikament länger überlebt haben könnten, so dass sie deshalb häufiger an Krebs erkrankten. Schließlich fehlte eine Adjustierung für andere Krebsrisikofaktoren wie BMI (als Marker für Insulinresistenz) oder die Familienanamnese. Aufgrund der Schwierigkeiten der Interpretation wurde die Publikation dieser Studie in Diabetologia zunächst von der Analyse auch anderer Datenbanken in anderen Ländern abhängig gemacht. Diese Analysen konnten die in der deutschen Studie gefundene Assoziation nicht reproduzieren (Currie et al.) und/oder wurden von ihren Autoren so interpretiert, dass sie keine Hinweise für eine krebserzeugende Wirkung von Insulin Glargin liefern (Jonasson et al., Colhoun et al.) Aus der Stellungnahme von diabetesDE und der Deutschen Diabetes Gesellschaft zum Zusammenhang zwischen Lantus und Krebs Wird das langwirksame Insulin Lantus in Kombination mit anderen Insulinen verabreicht, stellt sich die Situation wieder anders dar: Hier erhöhte sich in keiner der Studien das Risiko, einen Krebs zu entwickeln. In einer der Studien konnte das Krebsrisiko durch die kombinierte Gabe des langwirksamen Insulins mit anderen Insulinen sogar leicht gesenkt werden. Eine weitere Studie fand überhaupt keine Unterschiede in Bezug auf die unterschiedlichen Insulingaben. Auch wenn sich die verschiedenen Wissenschaftlergruppen einig sind, dass diese Erkenntnisse aus retrospektiven Studien noch keine abschließende Bewertung über den Zusammenhang zwischen lang wirksamen Analoginsulinen und Krebsentstehung zulassen, ist eine sorgfältige Analyse der Ergebnisse gefordert. Daher unterstützen DDG und diabetesDE die Position der EASD, bestehende Therapiekonzepte mit Lantus zu überprüfen. Die EASD weist in ihrer Stellungnahme auf die sehr guten Alternativen hin: Humaninsuline oder auch die Kombination von kurz- und langwirksamen Analoginsulinen haben in allen vier Studien keinerlei erhöhtes Krebsrisiko aufgewiesen. Insbesondere Menschen, die bereits an Krebs erkrankt sind oder Frauen, in deren Familie Brustkrebs gehäuft vorkommt, sollten diese Alternativen mit ihrem Arzt besprechen. Davon unbelastete Patienten, die mit lang wirksamen Analoginsulinen gute Erfahrungen gemacht hätten, bräuchten jedoch keine voreiligen Schlüsse ziehen – so die EASD. Wichtig ist festzustellen, dass sich aus diesen Ergebnissen keinerlei Hinweise auf die Behandlung von Menschen mit Diabetes Typ 1 ableiten lassen, da es sich hier um eine andere Erkrankung als Typ 2 Diabetes handelt. Ebenso lassen sich keine Rückschlüsse auf die Behandlung mit anderen Analoginsulinen (Detemir (Levemir®, Lispro (Humalog®), Aspart (Novorapid®) und Glulisin (Apidra®)) aus diesen Studien begründen.

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